Pfarrer Schießler ermutigt zum Kraftschöpfen aus der Bibel

"Hoffnung ist alternativlos"

Das neue Buch des Münchner Stadtpfarrers Rainer Maria Schießler dreht sich um die Hoffnung. Warum die Bibel voller Hoffnung ist, die Reformen des Synodalen Weges richtig sind und sein Buch helfen kann, verrät er im Interview.

Pfarrer Rainer Maria Schießler am 28. Februar 2023 in München. / © Dieter Mayr (KNA)
Pfarrer Rainer Maria Schießler am 28. Februar 2023 in München. / © Dieter Mayr ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Idee für die Ausrichtung des Buches kam Ihnen im letzten Sommer nach einem schweren Bergunfall im Ötztal. Was ist da passiert?

Pfarrer Rainer Maria Schießler (Autor und Münchner Stadtpfarrer): Ja, die Idee das Buch nach der Hoffnung auszurichten, ist mir nach meinem Unfall gekommen. Das Buch selbst zu machen war schon immer der Plan und ich war schon in den Anfangszügen. Durch den Unfall bin ich mittendrin herausgerissen worden.

Großmutter und Enkelin lesen in der Bibel / © Ground Picture (shutterstock)
Großmutter und Enkelin lesen in der Bibel / © Ground Picture ( shutterstock )

Ich war auf einer Bergtour, ziemlich weit oben, 3000 Meter. Dort bin ich, aus mir immer noch völlig unerfindlichen Gründen, gestürzt und habe mir das linke Sprunggelenk zertrümmert. Da saß ich nun, aber nicht bei wunderschöner Berglandschaft, sondern mitten in einem Gewitter. Da dachte ich: Ich komme hier nicht mehr runter.

Doch ich konnte mich da auf gute Freunde verlassen, die direkt alles in Bewegung gesetzt haben. Es hat zwar alles funktioniert, aber ein erster Rettungshubschrauber konnte wegen des Gewitters nicht rauf, da musste dann ein zweiter kommen und es hat alles etwas gedauert. Ich bin dann auch gerettet worden.

In dieser Situation gab es zwei Dinge, die mich sehr bewegt haben. Auf der einen Seite die Erfahrung, dass sich das Leben wirklich von einer Sekunde zur anderen ändern kann und auf der anderen Seite das Gefühl in mir, dass ich keine Panik haben muss und ich mich einfach festhalten darf. Das war dann auch ausschlaggebend für das Thema Hoffnung, weil Hoffnung alternativlos ist. Dazu gibt keine Alternative.

Wir hoffen, dass dieser Krieg aufhört. Wir hoffen, dass die Menschen sich einander zuwenden. Wir hoffen, dass wir den Klimawandel bekämpfen. Das ist nicht irrational, das ist nicht blindes Vertrauen, sondern das ist eine Kraftquelle, die uns die Energie gibt, die Dinge zu verändern.

DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Gefühl, wenn der Verlag Ihnen das erste Exemplar des Buches überreicht?

Schießler: Ich bin ein zölibatär lebender Priester. Ich habe also keine Kinder, aber so stelle ich mir das vor, wenn ein Vater sein neugeborenes Kind zum ersten Mal in die Arme gelegt bekommt. Das Buch ist – mit Verlaub – dein Baby, auf das man ewig hingearbeitet hat. Du bringst etwas zu Werke und dann lebt das Ganze. Ein Buch lebt.

Buch

Wir erleben eine Zeit, in der es immer schwerer wird, Mut zu schöpfen. Krieg, Krankheit, Inflation – eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Aber Rainer Schießler ist überzeugt: Die Geschichten der Bibel sind auch heute – oder besser gerade jetzt – unsere Quelle der Hoffnung, der Zuversicht, unsere ganz persönlichen Mutmacher! Und er hat das am eigenen Leib erfahren: Nach einem schweren Bergunfall musste auch er sich besinnen und seine Hoffnung aktivieren. Gar nicht so einfach – selbst als Pfarrer.

Ausschnitt Buchcover: Hoffnung - gerade jetzt. Biblische Geschichten samt Interpretationen für alle Lebenslagen (Kösel Verlag)
Ausschnitt Buchcover: Hoffnung - gerade jetzt. Biblische Geschichten samt Interpretationen für alle Lebenslagen / ( Kösel Verlag )

Die ganzen acht Wochen, in denen ich im Rollstuhl saß oder später mit Krücken unterwegs war, habe ich an diesem Buch gearbeitet. Ich war nur noch damit beschäftigt von dieser tiefen Verbundenheit zu erzählen, die ich erlebt habe, und von dessen Weitergabe. Dabei orientiere ich mich an der Heiligen Schrift. Die Bibel ist eine einzige Hoffnungsquelle. Es gibt eigentlich keinen Text in der Bibel, der nicht mit Hoffnung zu tun hat.

DOMRADIO.DE: Welchen Rat geben Sie uns mit Ihrem Buch?

Schießler: Dass wir nie aufhören werden, uns neu zu entwickeln. Der Mensch wird nie stillstehen. Der Mensch ist immer im Prozess. Und dass wir uns nicht von dem, was um uns herum ist, beeindrucken lassen. Zum Beispiel vom Krieg oder der Inflation.

Ich bewundere alle Menschen, die im Angesicht dessen nicht schreiend durch die Straßen rennen und sich auf die neue Situation einlassen können. So wie meine Retter. Die sind ruhig geblieben und haben alles gemanagt.

Wer in dieser Form seinen Alltag angehen kann und seine besonderen Aufgaben bewältigt, wird sehen, dass er all diese Dinge lösen kann.

DOMRADIO.DE: Sie legen Bibelstellen aus. Was ist Ihr Ansatz beim Umgang mit diesen Bibeltexten?

Schießler: Verständlich machen. Viele Menschen haben Angst vor der Bibel, weil sie glauben, dass man dafür studiert haben muss und sie das eh nicht können. Dabei ist das keine Frage des Könnens, sondern du musst dich auf die Stelle einlassen.

In meinem Buch gibt es keine exegetischen, keine dogmatischen, keine sonstigen Hinweise, kein Verweis auf andere Bibelstellen, keine wissenschaftlichen Methoden. Da steht, was in der Bibelstelle drinsteckt und was mir darin gesagt wird.

Eine meiner Lieblingsstellen ist die berühmte Stelle mit der Schwiegermutter des Petrus, die Botschaft der Schwiegermutter. Das ist eines der urältesten Auferstehungsbilder der Bibel. Jesus heilt die Schwiegermutter des Petrus. Sie steht auf. Sie dient. Sie fängt an.

Genau das ist Auferstehung. Nicht warten bis zum Sankt Nimmerleinstag, sondern aufstehen, Ärmel hochkrempeln und sein Tagewerk beginnen, um die Welt zu verändern.

DOMRADIO.DE: Die Bibel macht Hoffnung und Mut. Haben Sie Hoffnung für die Kirche? Auch mit Blick auf den Synodalen Weg und das, was dort entschieden wurde.

Schießler: Na, entschuldigen Sie mal. Die reißen die Chinesische Mauer ein. Die haben doch wunderbare Dinge beschlossen. Dass wir dem Papst anempfehlen, noch mal über den Zölibat nachzudenken. Ich finde das ist eine liebe Formulierung. Ich hätte es viel schärfer formuliert.

Ich bin seit 30 Jahre Pfarrer im Münchner Glockenbachviertel, also in Münchens Szeneviertel. Daher betrifft mich als Pfarrer die Entscheidung der Segnung homosexueller Paare persönlich. Ich habe hier noch nie etwas anderes getan. Ich habe noch nie jemanden weggeschickt, der mich um meinen Segen gebeten hat. Jetzt ist es offiziell. So oft habe ich schon Homosexuelle gesegnet.

Ich habe immer gesagt, wie gerne ich diesen Segen zusammen mit meiner Kirche aussprechen würde. Ich möchte diese Segen nicht als alternativer Pfarrer spenden, sondern wenn ich euch segne, möchte ich euch sagen, dass hier auch meine Kirche an euch handelt. Seit dem Beschluss der Synodalversammlung ist es so weit, weil auch Rom hinter diesen Beschluss nicht zurückkommt.

Das Interview führte Carsten Döpp. 

Rainer Maria Schießler

Rainer Maria Schießler, geboren 1960, gilt durch unkonventionelle Seelsorge und teilweise medienwirksamen Aktionen als "einer der bekanntesten Kirchenmänner" in Bayern und wird als "Münchens bekanntester Pfarrer" bezeichnet. Seit 1993 ist er Pfarrer in St. Maximilian in München und übernahm im Jahr 2011 auch die Münchner Heilig-Geist Gemeinde am Viktualienmarkt.

Pfarrer Rainer Maria Schießler mit einem Lamm im Arm / © Matthias Balk (dpa)
Pfarrer Rainer Maria Schießler mit einem Lamm im Arm / © Matthias Balk ( dpa )
Quelle:
DR