Pfarrer Schießler zieht Zwischenbilanz beim Oktoberfest

"Biblische Situationen"

Die erste Woche ist rum, jetzt geht es in die zweite und letzte Runde. Pfarrer Schießler ist nicht nur Pfarrer auf der Münchener Wiesn, sondern bedient auch in einem Oktoberfestzelt - Maßkrüge stemmen inklusive. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Pfarrer Schießler in seinem Element / © Katharina Ebel (KNA)
Pfarrer Schießler in seinem Element / © Katharina Ebel ( KNA )

domradio.de: Es ging auf der Wiesn ja schon richtig um die Wurst. Und zwar im eigentlichen Sinne. Sie haben nämlich einen Dieb gestellt, der seine Wurst nicht bezahlt hat. Was war denn da los?

Rainer Maria Schießler (Pfarrer der Gemeinde St. Maximilian in München): Es gibt auf der Wiesn Vorspeisenbretter mit Käse - oder wie wir in Bayern sagen Obazdn - die immer auf die neu eingedeckten Tische gestellt werden. Diese Bretter sind für zehn Personen und kosten zwischen 100 und 140 Euro. Dann war da ein junger Mann in Lederhosen und das Tragen von Lederhosen vermittelt jungen Männern immer das Gefühl, sie wären stärker als sonst. Er geht an dem Tisch mit dem Vorspeisenbrett vorbei und ich sehe, wie er sich ein Brot nimmt, durch den Käse fährt und es sofort verschlingt. Ich war gleich an die biblische Situation im Paradies erinnert - keinen Obazdn - keinen Apfel pflücken.

domradio.de: Was haben Sie gemacht?

Schießler: Da bin ich dann hin, hab mich hingestellt: "Junge, des musst jetzt zahlen. Das kostet 140 Euro!" Dann ist ihm natürlich der Schilling gefallen. Da hat er dann gemeint, er könnte jetzt aggressiv werden und damit der Situation entfliehen, aber in dem Moment waren die Sicherheitskräfte auch schon da. Auch die Polizei ist gekommen. Da ist er dann ganz klein mit Hut geworden.

Es hat sich dann alles in Güte aufgelöst, aber man muss das ja so sehen: Die Brotzeit, die wir da hin stellen, ist unser Besitz. Wir haben die gekauft, um sie an die Gäste zu verkaufen und somit beklaut er ja mich. Wir arbeiten ja für uns; das wissen viele Gäste nicht.

domradio.de: Wie geht es Ihren Armen vom Schleppen der Maßkrüge?

Schießler: Wie sagen wir in Bayern: "I bin a Monstrum!" Bei mir zeigt sich nichts, weder Muskelkater noch sonstige Schmerzen. Wie Sie vielleicht hören, meine Stimme hat unter der ersten Woche gelitten. Das liegt am Schreien. Wenn hier so um 17:00 die Party und die Musik losgehen, dann müssen Sie über die Tische schreien damit man die Bestellungen noch versteht. Sonst ist alles top.

domradio.de: Wie passt das zu einem Pfarrer, beim Oktoberfest mittendrin zu sein?

Schießler: Es ist auf der einen Seite sehr berauschend, denn es gibt nichts Schöneres als feiernde Menschen. Ich werde jeden Tag daran erinnert, dass es die Bestimmung des Menschen ist das Leben zu feiern. Wenn ich jetzt mal ein bisschen fromm bin, dann stelle ich mir den Herrn Jesu genauso vor. Es gibt eine Stelle in der Bibel wo er als "Fresser und Säufer" bezeichnet wird. Dies ist wohl dadurch entstanden, dass er jemand war, der sich immer bei gerne bei feiernden Menschen aufgehalten hat. Auf der anderen Seite gebe ich Ihnen Recht.

Ein Bierzelt hat keine biblische Grundlage. Es ist viel Alkohol und Unsägliches im Spiel, was mich auch anwidert. Wir sind zwölf Stunden da draußen und haben nachher nur noch mit Besoffenen zu tun. Es ist ein Spagat, den man geht. Die Wiesn hat ja viele Seiten. Wenn ich einen gepflegten Tisch habe, so wie gestern: Da waren welche vier Stunden an dem Tisch und haben den 38. Geburtstag ihrer Tochter gefeiert. Das waren angenehme Leute mit einer guten Zech´. Die haben gut gegessen und getrunken und das Leben gefeiert. Das ist der Sinn der Wiesn.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR