Pfarrerin in der deutschsprachigen Gemeinde in Beirut erinnert sich an den Israel-Libanon-Konflikt

Zwei Jahre nach dem Krieg

Der Krieg zwischen Israel und dem Libanon endete genau vor zwei Jahren: Über 1000 Opfer forderte der Konflikt auf beiden Seiten, mehrere tausend Zivilisten wurden verletzt. Trotzdem kommt der Libanon nicht zur Ruhe: Erst gestern wurden bei einem Bombenanschlag in Tripoli 18 Menschen getötet. Friederike Weltzien war noch bis vor drei Wochen Pfarrerin in der deutschsprachigen Gemeinde in Beirut - seit 1999 hatte sie dort gelebt. Im domradio-Interview erinnert sich sich an Zeiten zwischen Angst und Hoffnung.

 (DR)

domradio: Wie fühlen sie sich, wenn sie Nachrichten über immer neue Anschläge hören?
Weltzien: Das ist natürlich immer wieder dieser gleiche Schreck, der in einem hochkommt. Eigentlich sind wir das gewöhnt, das ist Alltag für uns geworden in den letzten zwei Jahren, das immer wieder diese schrecklichen Bombenanschläge waren. Wir haben eben auch ganz persönliche Erfahrungen damit gemacht, Menschen gekannt, die dabei gestorben sind oder schwer verletzt wurden. Diese ganzen erinnerungen sind immer wieder da, wenn man eine solche Nachricht hört.

domradio: Als heute vor zwei Jahren der Krieg zwischen Israel und dem Libanon beendet wird - haben sie da gedacht: ok, jetzt können wir aufatmen?
Weltzien: Natürlich, es war ein ganz großes Aufatmen, als endlich dieser Waffenstillstand durch war. Es war eine Riesenerleicherung, dass diese Bomberei aufhörte. Uns war damals noch nicht so richtig klar, was das dann im Nachhinein eigentlich für Folgen hat und wie so ein Leben weitergeht nach dem Krieg.

domradio: Wie ging es denn weiter?
Weltzien: Wir sind sehr direkt wieder zurückgeflogen, ich war ja zusammen mit meinem Sohn geflohen vor den Bomben, während mein Mann dort geblieben war. Wir kamen in eine Stadt zurück, die uns so vorkam, wie ein Tier, das noch nicht gemerkt hat, dass das Gewitter vorbei ist. Die Menschen saßen noch in ihren Ecken und Häusern, das Leben kam nur ganz langsam wieder in Gang.

So kannte ich das gar nicht vom Libanon. Auch im Bürgerkrieg war es typisch für die Libanesen, dass sie wie Stehaufmännchen wieder losgelegt haben voller Lebensmut. Das war nach diesem Krieg nicht so, es war eine ganz große Depression spürbar in der Bevölkerung.  Es hatte bis zu diesem Krieg eine Aufwärtsbewegung gegeben und ein Optimismus hatte sich ausgebreitet, dass der Libanon endlich wieder in Gang kommt. Die Wirtschschaft blühte auf und der Tourismus kam wieder in Gang. Das war so dermaßen zerbombt jetzt, dass die Menschen sich nur ganz langsam wieder berappelt haben und das eigentlich bis heute noch nicht wirklich.

domradio: Aber dann kam es ja noch schlimmer: Im Mai gab es die schlimmsten Kämpfe im Libanon seit Ende des Bürgerkrieges. Die Hisbollah marschierte in Westbeirut ein und besetzte einen Stadtteil. Das ist genau da, wo die deutschsprachige Gemeinde liegt - wie haben sie das erlebt?
Weltzien: Die haben praktisch unsere Straße erobert, das war ganz furchtbar. Es ging für uns sehr überraschend los, ich saß noch mit unseren Kindern und Freunden zusammen im Gemeindehof am Sandkasten. Dann kam mein Mann und sagte, wir müssten sofort alle rein, es ginge jetzt hier ab.

Da hatte Nasralla gerade die Rede gehalten, die der Startschuss war für diese Eroberungszüge. In dem Moment hörte man schon die Gewehrsalven und wir sind schnell ins Haus gerannt und da flogen schon die Kugeln rechts und links am Haus vorbei. Wir wussten nicht, ob wir in den Keller gehen sollten. Wir saßen dann in der Mitte des Raumes und haben mit den Kindern Ronja Räubertochter angeschaut um sie abzulenken und haben versucht Witze zu erzählen Viel geschlafen wurde da nicht.

domradio: Hatten Sie Todesangst um sich und ihre Familie?
Weltzien: Ja, das kam immer wieder vor. In einer Situation bin ich dann mit meiner Schwester und den Kindern raus in einer Gefechtspause während des Freitagsgebetes. Da weiß man nie, wann es wieder losgeht und wir dachten jetzt oder nie. Und dann sind wir immer wieder in die Nähe von Anschlägen geraten, unser Sohn ist einmal um Haaresbreite an einem Bombenanschlag vorbei gekommen. Und an einem Morgen wollte ich ihn zum Kindergarten bringen und er hat soviel Theater gemacht, so dass wir nicht rechtzeiig loskamen  und als wir aus der Tür kamen  ging auf unserem Weg eine Bombe hoch - wären wir rechtzeitig losgegangen, wären wir möglicherweise genau dort gewesen. In solchen Situationen ist man öfter. Das Risiko ist immer da, ist Alltag.

domradio: Warum zieht es sie trotzdem immer wieder in den Libanon?
Weltzien: Man lebt sehr intensiv mit den Menschen, die dieses Schicksal mit einem teilen, wir haben z.B. in der Gemeinde eine ganz große Aufgabe gehabt, in dieser Zeit den Mut aufrecht zu erhalten. Auch andere Werte wieder ins Bewusstsein zu rufen und zu zeigen, dass wir Menschen in der Lage sind in Frieden miteinander zu leben und sich gegenseitig zu stärken und zu unterstützen und auch im Glauben zusammenzufinden. Den Menschen zu zeigen, dass wir in der Lage sind, uns nach dem Frieden auszurichten und nicht nur danach, wer der Stärkere ist und wer jetzt die Macht bekommt.  

Aber auch diese wunderbare Landschaft, das Mittelmeer, die Berge, diese Atmosphäre. Dass die Menschen miteinander reden und Anteil nehmen. Das vermisse ich in Deutschland, da sind immer alle so zurückhaltend.