domradio.de: Was ist anders bei der Seelsorge mit Tieren?
Wiltrud Bauer, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Landsweiler-Reden, Saarland: Was besonders leicht fällt, ist die Anfangsphase eines Gesprächs. Es ist ganz oft so, dass Menschen sich ein bisschen scheuen in ein Seelsorge-Gespräch hineinzugehen, überhaupt mal Kontakt zu einem Pfarrer zu suchen. Und wenn sie das dann mal gemacht haben, sind sie fürchterlich aufgeregt und wissen nicht, ob sie die richtigen Worte haben. Und Menschen, denen es besonders schwerfällt, können die Tiere da wunderbar helfen. Zuerst gucken wir die Tiere zusammen an, wir haben ein Gespräch, ich erzähle ein bisschen was über die Tiere. Die Tiere sagen auch "Hallo". Und so kommen wir ganz nah zusammen, bevor wir überhaupt mal richtig ins Thema einsteigen. Und der Tag oder das Gespräch ergibt sich dann daraus. Das finde ich eigentlich ganz schön.
domradio.de: Wie sagt ein Alpaka denn "hallo"? Ich kenne mich mit Alpakas nicht so aus - nur die Mützen kenne ich...
Bauer: Ja, die Mützen, die wärmen! Und ich finde so ein Alpaka oder ein Lama kann einfach die Seele wärmen. Die haben erst mal wunderschöne Augen. Und sie interessieren sich für einen selber, das finde ich immer ganz toll. Die gucken einen direkt an. Ein Tierarzt hat schon mal gesagt: "Ich habe selten ein Tier erlebt, was so einen direkten Blick hat". Die Tiere kommen zu mir, weil sie das mit etwas Positivem und mit Abwechslung verbinden und schauen sich die Leute an. Und das Schöne daran ist: Lamas und Alpakas sind nicht so aufdringlich wie ein Hund. Viele Leute haben ja Angst vor Hunden, weil sie auf einen zustürmen, an einem hochspringen, "Hallo" sagen und "Ich will gekrault werden" und "Guck mal, was für ein Süßer ich bin" und "Warum hast du denn Angst vor mir ?" und machen dann hier ein riesen Wesen.
Und das ist bei Alpakas und Lamas ganz anders: Die sind sehr distanziert auf den ersten Blick und halten auf jeden Fall auch eine Armlänge Abstand - eine Individualdistanz sagen wir. Und wenn sie diese Individualdistanz überwinden, dann kommen sie sehr behutsam, strecken ihre Nase aus und geben mal einen kleinen Stupser. Das ist ganz zart und ganz berührend. So sagen die "Hallo".
domradio.de: Wie kamen Sie denn als Pfarrerin auf die Idee, Tiere in die Seelsorge einzubinden?
Bauer: Das ist eine relativ lange Geschichte, weil meine "Pfarrer-Generation" durch viele Aufs und Abs gegangen sind. Wir sind in einer Zeit großgeworden, wo es quasi eine Pfarrerschwemme gab und man uns in der Kirche nicht gebraucht hat und bloß hingehalten hat. Da war ich eben auch dabei, und irgendwann habe ich dann auch gedacht, man hat in der Ausbildung so viel gemacht, man kann ja was. Aber auf dem Arbeitsmarkt zählt das nichts. Da habe ich überlegt: Mit was kann ich meine Fähigkeit verbinden, meine innere Überzeugung Menschen gegenüber? Oder wie kann ich meinen Glauben auf eine andere Art und Weise noch Menschen näherbringen? Und da hab ich mich dazu entschlossen, noch eine Ausbildung in tiergestützter Therapie zu machen.
Dafür gibt es mehrere Ausbildungsinstitute, und ich habe mir das Institut für soziales Lernen mit Tieren in der Wedemark ausgesucht. Die arbeiten bis heute mit verschiedenen Tieren. Ich war damals noch nicht festgelegt und wollte etwas zu verschiedenen Tierarten lernen. Und im Laufe dieser Ausbildung habe ich festgestellt, dass Lamas und Alpakas die Tiere sind, mit denen ich arbeiten möchte.
domradio.de: Die großen Augen haben Sie überzeugt?
Bauer: Gar nicht mal die großen Augen, die haben eher meinen Mann überzeugt. Für mich war erst einmal die Wesensart der Tiere bedeutend. Ich habe bestimmte Ziele und die kann ich mit bestimmten Tieren besser erreichen. Das Wesen der kleinen Anden-Kamele gefiel mir dann sehr gut.
Das Gespräch führte Silvia Ochlast.