Die Wähler in Rio de Janeiro haben den umstrittenen Senator und Bischof der evangelikalen Universal-Pfingstkirche, Marcelo Crivella, zu ihrem neuen Bürgermeister gewählt. In der Stichwahl am Sonntag schlug der ehemalige Gospelsänger den linken Kandidaten Marcelo Freixo deutlich. Crivella war in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Beschimpfung von Homosexuellen aufgefallen; auch gegen die katholische Kirche wetterte er.
Der sich selbst als Kreationist bezeichnende Crivella erreichte knapp 60 Prozent der Stichwahlstimmen. Crivella siegte in den Armenvierteln der Peripherie, während Freixo in den Mittelklassevierteln gewann. Der Wahlkampf war von harten Attacke aus beiden Lagern geprägt. Während Crivella den Menschenrechtler Freixo als Sympathisant von Drogenabhängigen und Gewalttätern darstellte, musste er sich selbst Vorwürfe gefallen lassen, ein gefährlicher religiöser Fundamentalist zu sein.
Der "freigestellte Bischof"
Der gelernte Ingenieur Crivella baute in den 1980ern dutzende Tempel der von seinem Onkel Edir Macedo gegründeten "Universalkirche vom Reich Gottes", Brasiliens drittgrößter Pfingstkirche. Später ging er als Missionar der Universal nach Afrika, bevor Macedo ihn in die Politik schickte. Seitdem bezeichnet er sich als "freigestellten Bischof" der Universal.
Bereits unter dem ehemaligen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva (2003-2010) war Crivella Minister. Medien spekulieren, dass das Bürgermeisteramt von Rio ein erster Schritt zu mehr politischer Einflussnahme der Universal sein soll. Crivellas Onkel Macedo gilt als machtbesessen. Neben einem Vermögen von rund einer Milliarde US-Dollar hat er ein Medienimperium aus Radiosendern und Brasiliens zweitgrößtem Fernsehsender, TV Record, aufgebaut.
Jeder vierte Brasilianer Pfingstkirche zugehörig
Crivellas Partei PRB, die als politischer Arm der Universal gilt, verbesserte ihre Wahlergebnisse landesweit um ein Drittel gegenüber den Wahlen von 2012. Der Sieg in Brasiliens zweitgrößter Stadt Rio de Janeiro ist jedoch eindeutig der bisher größte politische Triumph des evangelikalen Lagers. Obwohl bereits rund jeder vierte Brasilianer angibt, einer Pfingstkirche anzugehören, ist deren Einfluss in der Politik bisher noch gering. Im Parlament gehört nur rund jeder sechste Abgeordnete einer solchen an.
Der Wahlausgang in Rio ist zugleich eine herbe Niederlage für Staatschef Michel Temer. Dessen Parteifreund, Bürgermeister Eduardo Paes, hatte Rio erfolgreich auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 vorbereitet. Nach insgesamt acht Jahren an der Spitze der Stadt durfte Paes jedoch nicht wieder antreten. Sein Vize und Wunschkandidat Pedro Paulo schaffte es nicht in die Stichwahl.
Analyse der Wahlforscher
Insgesamt waren die Kommunalwahlen jedoch ein Erfolg für den erst vor wenigen Wochen durch die umstrittene Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff (2011-2016) an die Macht gelangten Temer. Parteien seiner Regierungskoalition siegten in rund 80 Prozent aller Städte. Gleichzeitig erlebte die Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores), Temers schärfster Widersacher, ein historisches Debakel.
Die Partei von Rousseff und ihrem politischen Ziehvater, Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, verlor zwei Drittel ihrer Bürgermeisterämter. Selbst die traditionellen PT-Hochburgen rund um die Industriestadt Sao Paulo gingen verloren. Die Wähler hätten die PT für die katastrophale Wirtschaftslage verantwortlich gemacht, analysierten Wahlforscher. Die Partei steht zudem wegen zahlreicher Korruptionsskandale im Fokus der Ermittler.