domradio.de: Der neue Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe soll vor allem Demenzkranken zu Gute kommen. Warum sind sie bislang ein wenig durchs Raster gefallen?
Helene Maqua (Leiterin "Altenhilfe und Pflege" der Caritas im Erzbistum Köln): Grund dafür ist die mittlerweile zwanzig Jahre alte Pflegeversicherung, die damals nur von einem pflegerischen Bedarf ausgegangen ist, der zu Pflegeleistungen berechtigt. Das sind körperliche oder hauswirtschaftliche Unterstützungsleistungen. Bei einem Demenzkranken ist es aber durchaus noch so, dass er in der Lage ist, sich gegebenenfalls selbst noch eine zubereitete Mahlzeit warm zum machen, ein Butterbrot zu schmieren, oder sich eben zu pflegen. Dann fallen diese Minuten weg, die man in der Pflegeleistung an Bedarf hat. Darum bekommt die zu pflegende Person auch keine Pflegestufe und auch keine Leistungen aus dem Pflegeversicherungsgesetz. Die anleitende Unterstützung, die Demenzkranke aber oftmals benötigen, wurde bisher nur bedingt beachtet.
domradio.de: Das heißt, wenn heute ein Mensch mit Demenz Pflegebedarf benötigt, dann geht es bei der Betreuung eher um Anleitung?
Helene Maqua: Richtig, wir leiten an. Das ist ja Hilfe zur Selbsthilfe. Sie werden nicht zum Objekt der Pflege wenn sie Unterstützung brauchen, sondern ihnen wird geholfen, sich selbst zu helfen.
domradio.de: Anstelle der drei soll es jetzt fünf Pflegestufen geben. Warum ist das sinnvoll?
Helene Maqua: Eine verfeinerte Regelung ist sicherlich sinnvoll. Wobei mit drei auf fünf kein besonders großer Wurf gelungen ist. Da könnte man sich noch eine deutlich höhere Verfeinerung vorstellen. Es ist sicherlich sinnvoll für die Menschen, die noch Zuhause wohnen und wegen ihrer Demenzerkrankung Unterstützung brauchen, dass nicht mehr auf die 45-Minuten-Regel geschaut wird. Auf der anderen Seite haben wir den Gesetzesentwurf noch nicht im Detail vorliegen und es ist noch nicht so klar, nach welchen Kriterien festgestellt wird, wer wann in welche Pflegestufe eingruppiert werden kann.
domradio.de: Was wäre denn Ihrer Meinung nach der ideale Pflegeentwurf?
Helene Maqua: Die Pflegestufen müssten deutlich mehr auf die individuellen Möglichkeiten eines Menschen ausgerichtet werden. Man wird durch diese Eingruppierungen auch sehr schnell in ein Schubladensystem gebracht. Dann wird nicht mehr so genau geschaut, was der tatsächliche Bedarf ist und was nicht. Auch ist es sicherlich nicht richtig, wenn man eine stationäre Einrichtung nur dann in Anspruch nimmt, wenn man schon eine sehr hohe Pflegestufe hat. Für manche Menschen ist es sicherlich auch günstiger dort zu wohnen, wenn sie noch nicht den Pflegegrad zwei oder drei erreicht haben. Von daher würde ich mir wünschen, dass man von diesem starren System der Pflegestufen wegkommt und es individueller mit den Leistungen gestalten kann, obwohl mir da klar ist, dass das ein erheblicher bürokratischer Aufwand sein wird.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.