Die katholische Kirche in Deutschland und der Zweite Weltkrieg

Pflichterfüllung und Opferbereitschaft

Als die Wehrmacht im September 1939 in Polen einfiel, war die Kriegsbegeisterung unter den katholischen Bischöfen gering. Zwar verurteilten sie die Gewalt nicht. Sie deuteten den Krieg aber als göttliche Prüfung.

Clemens August Graf von Galen (KNA)
Clemens August Graf von Galen / ( KNA )

Pflicht, Opfer, Vaterland: Als Hunderttausende katholischer deutscher Soldaten ab 1. September 1939 in den Zweiten Weltkrieg zogen, vermieden die Bischöfe politische Stellungnahmen. Einzig der Münsteraner Bischof Clemens August von Galen rechtfertigte den Krieg unter Verweis auf den "ungerechten Gewaltfrieden" von Versailles 1918.

Von Kriegsbegeisterung kaum eine Spur. "Deutlich wird eine bedrückte, resignative Stimmung, weil sich ein neuer europäischer Krieg abzeichnete", analysiert der Tübinger Kirchenhistoriker Andreas Holzem. "Die Bischöfe waren überzeugt, dass der Christ der rechtmäßigen Obrigkeit zu gehorchen habe." Sie beteten weniger für den Sieg, öfter aber um einen Frieden zum Wohl Deutschlands. Und sie sprachen von göttlicher Prüfung und Strafgericht. Der katholische Soldat kämpfte nicht für Hitler, sondern für das christliche Abendland.

Bischöfe riskieren keine Konfrontation

Während Holocaust und Vernichtungskrieg alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten, dachten die Bischöfe noch in den alten Kategorien vom gerechten Krieg und der Treue zur von Gott gesetzten Obrigkeit. Kein Gedanke daran, dass sie den Krieg verurteilen könnten. Katholische Kriegsdienstverweigerer, denen die Hinrichtung drohte, wurden allein gelassen.

Selbst der Terror gegen das - katholische - Polen führte nur zu verklausulierten Protesten der Bischöfe. Für sie waren diese Verbrechen ein Vorgeschmack darauf, was auch den deutschen Katholiken blühen könnte. Insbesondere Kardinal Adolf Bertram, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, wollte keine Konfrontation riskieren.

Nazi-Terror für Kirchen eine "beispiellose Herausforderung"

Zustimmung fand der Angriff auf die Sowjetunion: Galen sprach vom Kampf gegen den gottlosen Bolschewismus. Der Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger bezeichnete Russland als einen "Tummelplatz von Menschen, die durch ihren Christushass fast zu Tieren entartet sind". Dennoch sieht Historiker Holzem keine Kreuzzugsstimmung. Für viele Katholiken waren Kommunismus und Nationalsozialismus gleichermaßen Zeichen für den Verfall einer gottlos gewordenen Welt.

Mit dem Krieg verschärfte sich auch der Nazi-Terror gegen die eigene Bevölkerung. Totale Mobilisierung, hemmungslose Gewalt und staatliche Großverbrechen: Für die Kirchen eine beispiellose Herausforderung, schreibt der frühere Direktor der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Karl-Joseph Hummel. Die Katholiken saßen damit zwischen den Stühlen: Als Deutsche hofften sie auf den Sieg. Zugleich mussten sie befürchten, dass die Nazis dann mit der Kirche abrechnen würden. Die anfänglichen Erfolge der Wehrmacht überdeckten manche Zweifel.

Kirche in Kriegsgesellschaft und Widerstand

Auch von Seiten der Nazis gab es widersprüchliche Strategien: Während Hitler aus taktischen Gründen für einen "Burgfrieden" mit der Kirche plädierte, verschärften andere die Repression - etwa gegen die Orden, gegen Gottesdienste und christlichen Feiertage.

Ob gewollt oder nicht: "Die Kirchen waren tragender und stützender Teil der Kriegsgesellschaft", sagt der Historiker Christoph Kösters von der Kommission für Zeitgeschichte. 1943 dienten rund 3.400 kirchliche Einrichtungen kriegsbedingten Zwecken, zwei Drittel aller Ordensfrauen erfüllten kriegswichtige Aufgaben, vor allem in der Krankenpflege. Auch durch Glockenläuten nach den Siegen gegen Polen und Frankreich oder durch die Militärseelsorge von 650 Feldgeistlichen stabilisierte die Kirche die Kriegsgesellschaft.

Andererseits zeigten Katholiken Distanz und Widerstand: In katholischen Milieus wie im Münsterland blieben religiöse Traditionen lebendig. Über 400 Priester wurden zwischen 1933 und 1945 in ein KZ gebracht, 107 kamen dort zu Tode. 63 weitere Priester wurden hingerichtet oder ermordet. Galen protestierte 1941 öffentlich gegen die Vernichtung vermeintlich "lebensunwerten Lebens". Zur Verfolgung der Juden schwiegen die Bischöfe hingegen. Nur indirekt verurteilten sie den Völkermord, etwa mit ihrem "Menschenrechtshirtenbrief" im März 1942. Einzelne Christen, die Verfolgten halfen oder einen Umsturz mitplanten, bezahlten dies mit KZ und, wie der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, mit ihrem Leben.


Quelle:
KNA