Pharmaindustrie und Hilfsorganisationen streiten über Patente auf Aids-Medikamente in armen Ländern

Teure Therapien

Die Fronten sind verhärtet: Pharmaindustrie, Hilfsorganisationen und Entwicklungsländer streiten erbittert über Patente auf Aids-Medikamente. Patentschutz führt zu hohen Arzneipreisen und erschwert die Versorgung der Ärmsten, sagen Kritiker. Ohne Schutz geistigen Eigentums gibt es keinen Fortschritt, entgegnen die Konzerne. Ab Sonntag steht der Zugang zu lebensverlängernden Aids-Medikamenten wieder auf der internationalen Agenda. Dann treffen sich Experten und Aktivisten in Sri Lankas Hauptstadt Colombo zu einer fünftägigen Konferenz über Aids in Asien.

 (DR)

Von Stefan Fuhr
Zwar sind viele antiretrovirale Präparate mittlerweile zu günstigen Preisen zu haben - immerhin zwei Millionen der weltweit sieben Millionen Aids-Kranken können versorgt werden. Immer mehr behandelte Patienten aber entwickeln Resistenzen und benötigen Folgetherapien, die das Zehnfache kosten. "In einigen Jahren werden alle, die heute behandelt werden, diese Mittel der zweiten Generation benötigen", sagt Christine Fischer von der industriekritischen BUKO-Pharmakampagne.

Das Problem: Für die sogenannte zweite Therapielinie gibt es bisher nur wenige günstige Nachahmermedikamente (Generika). Denn inzwischen ist in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern das Abkommen der Welthandelorganisation zum Schutz geistigen Eigentums (TRIPS) in Kraft getreten - was die Generika-Produktion deutlich erschwert.

Das TRIPS-Abkommen hat gerade Asien, einen expandierenden Markt für Medikamente, zum Schauplatz zäher Patentstreitigkeiten gemacht. Thailands Regierung etwa brach Anfang des Jahres das Patent für ein Arzneimittel der zweiten Therapielinie, um die Generika-Produktion zu ermöglichen. Der US-Hersteller Abbott sieht einen Verstoß gegen TRIPS und zog Zulassungsanträge für andere Präparate in Thailand zurück.

Die Regierung in Bangkok dagegen beruft sich auf eine Notstandsklausel im Abkommen: Demnach ist ein Patentbruch erlaubt, wenn anders die Versorgung von Patienten nicht möglich ist. Auch Indien, größter Generika-Hersteller weltweit, steht im Konflikt mit großen Pharmafirmen. Dort wird neuen Medikamenten, die sich nur gering von herkömmlichen Präparaten unterscheiden, der Patentschutz verwehrt. "Damit kann Indien viele Aids-Medikamente günstig herstellen und sie in arme Entwicklungsländer exportieren", erläutert Oliver Moldenhauer von Ärzte ohne Grenzen. Eine Klage der Schweizer Firma Novartis, derzufolge das indische Patentrecht mit TRIPS unvereinbar ist, wies ein indisches Gericht Anfang August ab.

Die Pharma-Multis sehen sich in der Patentdebatte in ein falsches Licht gerückt. Sie verweisen darauf, dass sie in der Vergangenheit immer wieder Arzneipreise in besonders armen Weltregionen gesenkt hätten. "Aber Patente müssen grundsätzlich geschützt bleiben", betont Ralf-Thomas Hillebrand, Sprecher des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller. Andernfalls lohnten sich Investitionen in die Forschung nicht mehr.
Die Debatte sollte nach Ansicht der großen Hersteller besser ganz beendet werden. "Die Diskussion über Patente bringt die Entwicklungsländer nicht weiter", sagt Pharma-Lobbyist Hillebrand.

Viel entscheidender sei etwa die Frage, wie dort funktionsfähige Gesundheitssysteme aufgebaut werden könnten. So fehle bislang vielerorts eine Infrastruktur zur Verteilung antiretroviraler Medikamente.

Aids-Experte Moldenhauer hält dagegen: "Erst der Druck durch Generika-Konkurrenz hat die großen Unternehmen zu Preisnachlässen veranlasst und damit die Versorgung armer Patienten vereinfacht." Die Firma Abbott gebe nach der Erfahrung in Thailand das gleiche Medikament in anderen Schwellenländern wesentlich günstiger ab - offenbar um dort vergleichbare Patentkonflikte zu vermeiden.