Die Philippiner sind ein katholisches Volk. Religion ist tief in Kultur, Psyche und Alltag des außer Osttimor einzigen katholisch geprägten Landes in Asien verwurzelt. Auf den Dächern von Hochhäusern sind Kreuze montiert. Überlebensgroße Madonnen aus Gips gehören zur Standardausstattung von Hotelfoyers. Zwölf Sonntagsmessen hintereinander sind in großen Kirchen normal. Mit der Heiligsprechung des Märtyrers Pedro Calungsod (1654-1672) begann die Kirche im Oktober 2012 ihre "spirituelle Reise" in Richtung 500. Jahrestag des Katholizismus auf den Philippinen am 16. März 2021.
Trotz einer säkularen Verfassung spielt die Kirche der Philippinen sowohl im politischen Leben wie im Alltag der Menschen eine einflussreichere Rolle als in jeder anderen katholisch geprägten Gesellschaft. Seit Monaten ist der Besuch des Papstes ein wichtiges Thema in den Medien.
Lange Zeit Misstrauen seitens des Vatikans
Zwei von drei Philippinern gehen laut Umfragen regelmäßig in den Sonntagsgottesdienst. Als "devot" und "naiv-katholisch" etikettieren westliche Stimmen diesen Glauben zuweilen. Doch die starke Volksfrömmigkeit enthält auch ganz "unrömische" und abergläubische Elemente aus den vorchristlichen Stammesreligionen des Archipels. Die spanischen Kolonialherren, die seit dem 16. Jahrhundert den katholischen Glauben mit Hilfe von Dominikanern, Franziskanern und Jesuiten verbreiteten, konnten den Synkretismus nie ganz unterbinden.
Im Vatikan herrschte lange Misstrauen gegen den indigenen Klerus. Erst im frühen 20. Jahrhundert ernannte Rom die ersten einheimischen Bischöfe. Spanien hatte die Kolonie 1898 im Krieg gegen die USA verloren, deren protestantische Kirchen eine breit angelegte, doch erfolglose Reformation versuchten. Anders als in lateinamerikanischen oder afrikanischen Staaten verzeichnen die meist aus den USA finanzierten evangelikal-charismatischen Bewegungen in den Philippinen bis heute nur bescheidene Ergebnisse. Die verelendeten Massen des Knapp-100-Millionen-Volkes bieten aber auch hier ein Potenzial für Missionserfolge.
Armutsproblem bleibt größte Herausforderung für die philippinische Kirche
Das Armutsproblem, das sich nach der Unabhängigkeit 1946 rasant verschärfte, bleibt die größte Herausforderung für die philippinische Kirche. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) galt sie als sozial konservative Kraft mit Nähe zu den oligarchischen Familien der Großgrundbesitzer. Danach wandelte sie sich zur Anwältin der Besitzlosen und zur Vorkämpferin gegen die strukturellen Ursachen der Massenarmut: das Ausbleiben einer Bodenreform, die Ausbeutung der philippinischen Rohstoffe durch internationale Konzerne und die Konzentration des Reichtums in den Händen einer kleptomanischen Elite.
Bischöfe, Orden und die in großer Zahl entstehenden Basisgemeinden zogen dazu oft an einem Strang. Freilich gab und gibt es auch immer wieder innere Auseinandersetzungen über befreiungstheologische Ansätze, die bis zur Zusammenarbeit von Priestern und Ordensleuten mit kommunistischen Rebellen reichten.
Korruption an der Tagesordnung
Gleichzeitig engagierte sich die Kirche seit den 1970er Jahren verstärkt für Demokratie und Menschenrechte. Der Sturz der Marcos-Diktatur 1986, auch "Rosenkranz-Revolution" genannt, wäre nach Ansicht der meisten Beobachter ohne die wachsende Opposition der katholischen Bischöfe nicht möglich gewesen, die schließlich Millionen Philippiner zum gewaltfreien Aufstand aufriefen. Trotzdem bleiben die Philippinen eines der weltweit korruptesten Länder.
Wenige Clans bestimmen über Macht und Ressourcen, und ein Drittel der Menschen lebt unter der Armutsgrenze. Weil ein Grund dafür auch das hohe Bevölkerungswachstum ist, wurde die Kirche für ihren Kampf gegen Empfängnisverhütung zuletzt hart kritisiert. Gegen ihren heftigen Widerstand brachte die Regierung von Staatspräsident Benigno Aquino vor zwei Jahren ein sogenanntes Reproduktionsgesetz durch, das die Verteilung von Kondomen fördert. Abtreibung und Scheidungen bleiben indessen verboten.
Aquino wusste, dass er sich ohne politisches Risiko gegen die Kirche stellen konnte: 70 Prozent der Bevölkerung waren für Sexualaufklärung und kostenlose Verhütungsmittel für Arme. Die von den Bischöfen organisierten Straßenproteste, politischen Aktionen und Klagen vor Gericht verpufften.
Kritik am Klerus
Auch bei Themen wie dem Kampf gegen Korruption oder gegen Armut haben Teile des philippinischen Klerus ein Glaubwürdigkeitsproblem. Der preisgekrönte investigative Journalist Aries C. Rufo dokumentiert in seinem 2013 erschienenen Buch "Altar der Geheimnisse" Fälle von Korruption, aber auch sexuelle Fehltritte von Gemeindepriestern und Bischöfen. Den immensen Einfluss der Kirche auf Politik und Gesellschaft der Philippinen zu hinterfragen, war bis vor nicht allzu langer Zeit kaum denkbar.
Die wohlwollende Aufnahme des Buches in der philippinischen Öffentlichkeit mag manche in der Kirche mehr schockiert haben als das Buch selbst. Andere jedoch haben Rufo offenbar bei seinen Recherchen unterstützt. Einige Bischöfe hätten ihn "ermutigt, dass Veröffentlichungen über das Versagen und die Schwächen einiger ihrer Brüder die Kirche nur stärken kann", schreibt Rufo im Vorwort und fügt hinzu: "Das hat mein Vertrauen in die Heilige Mutter Kirche bekräftigt."
Dennoch: Auch weiterhin dürfte die Kirche auf den Philippinen ein zentraler gesellschaftlicher Akteur und Partner der Politik bleiben. Der Staat braucht sie nicht nur als Ersatz für das fehlende Sozialsystem, sondern auch als Vermittlerin im blutigen Konflikt mit kommunistischen Kämpfern und den islamischen Rebellen. Aus Sicht der Weltkirche bleibt der philippinische Klerus außerdem Schrittmacher für die Evangelisierung der Pazifikregion.