Philosoph Spaemann lobt Papst und kritisiert Protestanten

"Er sagte, was ein Papst sagen muss"

Der Philosoph Robert Spaemann hat Papst Benedikt XVI. gegen Kritik nach seiner Deutschlandreise verteidigt. "Er sagte, was ein Papst sagen muss", sagte der 84-Jährige. Benedikt habe vor allem betont, "dass der Kern unserer Probleme ein spirituelles Problem ist". Zugleich kritisierte Spaemann die Protestanten, sie hätten in bioethischen Fragen die Solidarität mit der katholischen Kirche aufgekündigt.

Prof. Robert Spaemann: Jeder Mensch ist freier als der Papst (KNA)
Prof. Robert Spaemann: Jeder Mensch ist freier als der Papst / ( KNA )

Papst Benedikt XVI. "will das Evangelium ernst genommen haben", fügte Spaemann in dem  Interview mit der Berliner Zeitung "Die Welt" hinzu. Dies sei der Kern der Botschaft des Papst-Besuches. Benedikt wolle, "dass das Evangelium nicht überwuchert wird von Strukturfragen. Er will Bekehrung."



Zu Vorwürfen, der Papst hätte die Ökumene mehr voranbringen müssen, erklärte Spaemann, Benedikt könne weder etwas verordnen oder dekretieren: "Der Papst ist doch kein absoluter Monarch. Alle Menschen dürfen mehr als der Papst. Er ist gebunden durch das Evangelium und die Auslegung des Evangeliums in der Tradition. Durch die Dogmen der Kirche, die er nicht verändern kann."



Vorwürfe an Protestanten

Der evangelischen Kirche warf Spaemann vor, den "christlichen Konsens" immer wieder zu verlassen, "um einen Konsens mit der nicht christlichen Gesellschaft zu suchen". Als Beispiel nannte er die Präimplantationsdiagnostik (PID). Die katholische Kirche halte daran fest, dass menschliche Embryonen zum Beispiel nicht als Material betrachtet werden können zu Forschungszwecken. Spaemann: "Ich wüsste nicht, worin eine theologische Begründung zur Selektion menschlichen Lebens bestehen sollte." Während die katholische Kirche die Gentests ablehnt, gibt es in der evangelischen Kirche sowohl Befürworter als auch ablehnende Stimmen.



Zum Thema Kirchensteuer sagte der Philosoph, es gehe in Ordnung, dass den Gläubigen zugemutet werde, "ein angemessenes Opfer zu bringen als Beitrag zu dem, was die Kirche braucht". Allerdings müsse die Koppelung Kirchenzugehörigkeit und Kirchensteuer fallen, "dann ist gegen eine Kirchensteuer gar nichts einzuwenden". Der Papst hatte in Freiburg erklärt, damit die Kirche ihren Auftrag erfüllen könne, müsse sie auf "Distanz zu ihrer Umgebung" gehen, sie habe sich gewissermaßen zu "entweltlichen".



Spaemann lehrte in Stuttgart, Heidelberg und München Rechts-, Natur- und Religionsphilosophie. Er gehört zu den bedeutendsten katholischen Denkern der Gegenwart. 2005 erschien sein Buch "Das unsterbliche Gerücht. Die Frage nach Gott und der Aberglaube der Moderne".



Beckstein weiter unzufrieden mit Erfurter Ökumene-Treffen

Der Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Günther Beckstein, hat das Papsttreffen mit protestantischen Spitzenvertretern im Erfurter Augustinerkloster dagegen erneut kritisiert. Dabei seien die Unterschiede zwischen den Kirchen auf höchster Ebene deutlich geworden, sagte der frühere bayerische Ministerpräsident am Freitag in Erfurt. Der CSU-Politiker hatte sich bereits unmittelbar nach der Begegnung enttäuscht geäußert.



Es habe sich gezeigt, "mit wem man keine Kompromisse machen kann", sagte Beckstein in Anspielung auf die Predigt von Papst Benedikt XVI. im ökumenischen Gottesdienst während des Treffens. Benedikt XVI. hatte in seiner Ansprache betont, theologische Fragen könnten nicht wie politische verhandelt werden. Beckstein betonte, er empfinde es auch als "ärgerlich", dass der Papst zwei Tage nach dem Gespräch mit der EKD Repräsentanten der Orthodoxie konkrete Hoffnungen auf ein gemeinsames Abendmahl gemacht habe.



Beckstein äußerte sich am Rande einer Ehrenamtstagung der beiden großen Kirchen. Dabei erklärte auch der Staatsekretär im Bundesfamilienministerium, Josef Hecken (CDU), er habe sich stärkere Signale in Richtung einer Abendmahlsgemeinschaft gewünscht. Wenn Christen ihre Botschaft "mit Erfolg verkünden wollen", könnten sie es sich auf lange Sicht nicht erlauben, innere Diskurse über den Besitz der absoluten Wahrheit zu führen.



Beckstein und Hecken widersprachen in ihrer Einschätzung der Erfurter Ökumene-Begegnung der Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Karin Kortmann, die das Treffen gewürdigt hatte. Es falle "nicht immer ganz leicht, all das Positive dieser Begegnung hervorzuheben", räumte Kortmann ein. Doch Erfurt sei dadurch zu einer "Hauptstadt der Ökumene" geworden.



Hecken übte zudem scharfe Kritik an den Abgeordneten, die der Papstrede vor dem Bundestag ferngeblieben waren. Sie hätten die im Grundgesetz verankerte Passage zur "Verantwortung vor Gott und den Menschen" offenbar mit Tipp-Ex getilgt, so Hecken. "Und wenn dann so ein Obermufti aus Afghanistan eine Friedensbotschaft überbringt, sitzen sie mit Tränen in den Augen da und hören zu - hier wird doch mit zweierlei Maß gemessen", so Hecken.