DOMRADIO.DE: Wenn man sagt "Ich geh Pilgern", dann denken ja wahrscheinlich die allermeisten Menschen direkt: Ah, Jakobsweg! Woran liegt das?
Beate Steger (Pilgerexpertin): Hape Kerkeling und sein Bestseller aus dem Jahr 2006 haben schon einen großen Anteil dran, obwohl das Pilgern gerade auch auf dem Jakobsweg etwas vorher schon angefangen hat. Nachdem Papst Johannes Paul II. schon 1982 in Santiago war, wurde das Pilgern auch mehr. Gerade in Spanien wurde eine super Infrastruktur geschaffen, das macht das Pilgern auch sehr einfach.
DOMRADIO.DE: Werden denn dann Pilgerwege wie beispielsweise der Jakobsweg gepusht von der Kirche?
Steger: Das werden die schon. Aber man merkt auch, dass es manchmal eben von Erfolg gekrönt ist und manchmal auch nicht. Ich kenne zwei Beispiele. Einmal diesen Jakobsweg, der läuft wie das Lottchen, sage ich jetzt mal, und dann gibt es zum Beispiel den Martinusweg, der wird auch gepuscht von der Kirche, also ganz besonders von der Diözese in Rottenburg am Neckar. Der Martinusweg hat zwar schon auch seine Fans, aber lange nicht so wie der Jakobsweg.
DOMRADIO.DE: Kommen wir noch mal auf den Jakobustag, der ja am 25. Juli ist. Was hat es damit und mit dem Pilgern zusammenhängend auf sich?
Steger: Also normalerweise sind solche Heiligentage ja meistens auch die Sterbedaten von Heiligen. Und beim Jakobus ist es der Tag der Überführung seiner Reliquien, seiner sterblichen Überreste. Am 25. Juli 816 wurden sie in dem neu errichteten Wallfahrtszentrum in Santiago de Compostela überführt und beigesetzt.
Das ist was ganz Besonderes, weil in der Woche vorher, aber hauptsächlich am Jakobustag gibt es ganz viele Veranstaltungen in Santiago und da gibt es auch immer wieder ein Feuerwerk am Abend vorher. Da war ich auch schon mal dabei gewesen. Diese Menschenmassen und dieses Feuerwerk sind unglaublich! Am Jakobustag selber kann man Glück haben, dass die spanische Königsfamilie beim Gottesdienst dabei ist und der Botafumeiro, der Weihrauchkessel, wird natürlich auch geschwenkt.
DOMRADIO.DE: Sind die Feierlichkeiten immer so aufwendig, oder nur, wenn der Jakobustag auf den Sonntag fällt und dadurch ein Heiliges Compostelanisches Jahr ist?
Steger: Das normale Programm und das Feuerwerk sind jedes Jahr. Aber wenn ein Heiliges Jahr ist, ist es natürlich noch mal mehr, weil ja dann auch die Heilige Pforte geöffnet wird. Die wird aber schon an Silvester geöffnet, die bleibt ja dann auch das ganze Jahr über offen. Aber dann gibt es natürlich noch mal viel mehr Veranstaltungen, auch viele Musikveranstaltungen, die rund um die Kathedrale stattfinden.
Und man kann dann eben durch diese Heilige Pforte gehen und ich sage das immer - das ist aber nicht ganz ernst gemeint - man bekommt ja dann nicht nur die Sünden erlassen, die man schon gemacht hat, sondern auch die zukünftigen Sünden und deswegen sind so viele Leute dabei und wollen im Heiligen Jahr in Santiago sein.
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade von den Menschenmassen gesprochen. Ist es denn dann nicht sinnvoller die großen Festtage zu meiden und sich einen anderen Zeitpunkt im Jahr für seine Pilgerreise zu wählen?
Steger: Ich bin da zwiegespalten. Ich war schon mal beim Jakobustag in Santiago und muss sagen, da war ich jetzt einmal und da muss ich dann auch nicht wieder hin. Es ist ja auch mitten im Sommer. Es ist vielleicht schön, das einmal mitzumachen, aber ich liebe es ja auch, so kleine unbekannte Kirchen auf Pilgerwegen zu entdecken.
Da gibt es aber immer wieder welche, auch wenn man auf dem Münchner Jakobsweg ist oder auf anderen Wegen in Deutschland oder auch in Frankreich und dann in so einer Kapelle oder Kirche mal eine Zeit lang alleine zu sein. Das hat natürlich auch was.
DOMRADIO.DE: In diesen Tagen spricht man viel von overtourism, also überfüllte Touristenorte. Denken Sie, die Kirche hat bei den großen Pilgerstätten wie Santiago de Compostela einen Anteil?
Steger: Ja, das ist auf jeden Fall so. Ich meine, gerade auch beim Pilgern, weil das ja mittlerweile auch eine Möglichkeit ist für die Kirchen, Leute anzuziehen. Die gehen ja nicht mehr so oft in die Gottesdienste. Aber beim Pilgern sind die Menschen alle mit dabei. Und wenn man da jetzt natürlich eine schöne Kirche oder Kathedrale oder einen Dom vor Ort hat, da macht man damit natürlich auch Werbung und macht dann gerne besondere Veranstaltungen.
Ich kenne das zum Beispiel auch beim Dom in Speyer. Da gab es dann zum Beispiel letztes Jahr auch eine Aktion "Die Pfalz wandert für den Dom" mit ganz vielen Veranstaltungen, um den Besuch im Dom zu pushen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.