Nicht nur die Lebensgrundlage vieler Menschen und ganze Dörfer sind zerstört worden. Mittlerweile stellt sich auch die Frage nach wertvollen Dokumenten, die dort in Archiven lagerten.
"Die erste Überlegung, als die Nachrichten der schlimmen Ereignisse uns erreichten, war, ob man nicht mal schnell rumfragt, bei den Verwaltungsleitungen, bei den Pfarrern: Wie geht es den Archiven?", sagt Dr. Ulrich Helbach, Direktor des Historischen Archives im Erzbistum Köln. "Das haben wir aber in Sekundenschnelle wieder verworfen, denn wenn die Menschen da um Haus und Hof ringen, geht so eine Frage wie 'Wie geht’s dem Pfarrarchiv?' gar nicht."
Wie werden die Dokumente gerettet?
Daher haben die Mitarbeiter des Archives sich auf die Aufräumarbeiten in den Archiven vor Ort vorbereitet, die nur eine Frage der Zeit waren. Aber kann man durchnässte Akten überhaupt noch retten? "Ein wichtiger Faktor war, dass wir erst einmal schnell Material besorgt haben", so Helbach. Die Dokumente mussten teils erst einmal gereinigt werden. "Mit dem Schlauch abspritzen klingt seltsam", sagt Ulrich Helbach, "aber das Material ist ja sowieso nass."
Dann werden die Dokumente in Folie eingeschlagen, gestapelt und in ein Gefrierhaus gebracht. "Das halbe Team war in diesen Tagen dabei", erzählt Helbach. Die Folie für die Sicherung der Dokumente hätten sie selbst mitbringen müssen, "denn jeder Nachbar, jeder Angestellte der Pfarrei, alle haben die Keller voll. Alle haben schnell die Folie noch aufgekauft im Baumarkt. Das heißt, wenn man die nicht mitbringt, ist man da nicht handlungsfähig."
Im Kühlhaus werden die Dokumente dann gefriergetrocknet. "Professionelle Firmen holen die Feuchtigkeit aus dem Papier heraus, ohne dass wieder Nässe entsteht. Das Wasser verdampft und dann ist die Akte trocken und man kann sie sich ansehen und befinden, ob an der Akte etwas getan werden muss. Das ist sehr unterschiedlich."
Warum Archive so wichtig sind
Warum es so wichtig ist, diese Dokumente zu sichern? "Archive sind das Gedächtnis und die Strahlkraft, sozusagen die historische Kraftquelle der Gemeinden, also alles, was der Gemeinde einmal bedeutet hat und bedeutet, was sie getan hat, wie sie Menschen erreicht hat, wie sie gewirkt hat", erklärt Helbach. "Archive sind zur Nutzung da. Sie sollen Menschen dienen, sie sollen Forschung dienen. Sie sollen Fragen an die Vergangenheit dienen, sonst bräuchte man sie ja nicht zu haben und aufrechtzuerhalten. Aber ein professioneller Umgang mit Dingen, Wertschätzung, das wird durch das Unglück nochmal aufs Neue eingeschärft."
Digital aufbewahrt sei derzeit nur das, was schon digital angelegt wurde. "Man muss sich vorstellen, auch in unserer heutigen digitalisierten Zeit, dass die Dinge, die einmal in Papierform geschaffen wurden, nicht jetzt per se automatisch nachträglich alle in die digitale Welt transformiert werden. Das wären gigantische Massen mit ungemein hohen Kosten."
Kritik an magelhafter Aufbewahrung
Und wo werden diese Akten am besten aufbewahrt? "Vorsicht mit Kellern", warnt Helbach. "Das Historische Archiv des Erzbistums hat auch Kellermagazine, aber das sind speziell gebaute, wo diese Szenarien auch vielfach berücksichtigt sind, was das Risiko extrem minimiert." Die Kollegen aus dem Bistum Trier hätten ihren Pfarreien das seit Jahren eingeschärft – mit Erfolg.
Auch Dachböden oder Speicher seien als Lagerort ungeeignet. "Wegen der Hitze im Sommer, aber noch schlimmer: Im Brandfall wird die Feuerwehr keinerlei Chance haben, vor dem Dachstuhkollaps dort noch Dokumente rauszuholen. Das wäre ja lebensbedrohlich."
Für Pfarreien im Erzbistum Köln empfiehlt er daher das Angebot des Erzbistums, die eigenen Akten zu günstigen Bedingungen beim Historischen Archiv des Erzbistums in Köln zu hinterlegen. Denn: "Wer hat schon einen adäquaten Raum in einer Pfarrei, der für historisches Material langfristig gut aufgestellt ist? Das war eben vielfach das Problem in den Regionen."
"Ein Einsatz, wie man ihn nur selten im Berufsleben hat"
Und wie ist die Arbeit in zerstörten Archiven an Orten, an denen Menschen sprichwörtlich vor den Trümmern ihrer Existenz stehen? Die Menschen seien natürlich mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen, sagt Helbach. "Man sieht weinende Menschen. Man sieht, wie die allgemeine Hilfsaktion läuft. Jedem aus dem Team ist letztlich selbst die Aufgabe gestellt, mit den Menschen dort umzugehen. Es ist ein Einsatz, wie man ihn nur selten im Berufsleben hat."