In Polen kann die "Palikot-Bewegung" auf Regierungsbeteiligung hoffen

Antiklerikale auf Warschau-Kurs

Am Sonntag wählt Polen sein neues Parlament – und eine neue antiklerikale Partei könnte die Überraschung werden. Neuesten Umfragen zufolge scheint ihr der Sprung in den Sejm zu gelingen: Die "Palikot-Bewegung" könnte das Zünglein an der Waage werden.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Sieben Prozent der Polen gaben an, am 9. Oktober die "Palikot-Bewegung" wählen zu wollen. In Warschau wird die vom Polit-Provokateur Janusz Palikot gegründete Partei bereits als möglicher Königsmacher bei der Regierungsbildung gehandelt. Nun bekommt sie überraschend auch noch Schützenhilfe vom früheren Staatspräsidenten und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa.



"Palikot wird gebraucht. Ich wünsche ihm, dass er ins Parlament kommt", sagte Walesa im Vorfeld. Die Partei des 46-Jährigen spreche Themen an, die angegangen werden müssten. Walesa meinte dabei allerdings nicht die Kirchenkritik. Vielmehr antwortete der Ex-Staatschef in dem Interview auf die Frage, ob er nichts gegen Palikots "stark antiklerikalen Schlag" habe: "Da will ich ihm helfen und ihn bekehren."



Das dürfte Walesa aber ziemlich schwer fallen. Palikot, der bis vor einem Jahr für die regierenden Rechtsliberalen im Parlament saß, schimpft allzu gern über den seiner Meinung nach zu starken Einfluss der katholischen Kirche auf die polnische Politik. "Wann sehen wir endlich eine einzige Staatsfeier ohne die fetten Bäuche der Bischöfe?", mokierte er sich vor knapp einem Jahr beim ersten Kongress seiner Bewegung. Die ersten 5 der 15 Punkte des damals vorgestellten Parteiprogramms drehen sich um das Thema Kirche. Religion gehöre aus dem öffentlichen Raum verbannt. Staat und Kirche müssten strikt getrennt werden.



Eine Forderung: Religionsunterricht abschaffen

Konkret fordert die neue Partei die Abschaffung des 1989 an den Schulen eingeführten Religionsunterrichts sowie ein Recht auf Abtreibung und Sterbehilfe. Statt Geld vom Staat zu erhalten, solle die Kirche Steuern zahlen. Trotzdem betont die Bewegung im jetzigen Wahlprogramm, sie sei nicht kirchenfeindlich. Sie kämpfe gegen keine Religion, sondern für einen säkularen Staat.



Noch kurz nach ihrer Gründung sorgte die Partei mit Demonstrationen vor Bischofssitzen für erhebliches Aufsehen. Im Wahlkampf verzichtete sie darauf. Ihr zweites großes Schlagwort ist der Abbau der Bürokratie. Mit diesem Thema wurde Palikot schon als Mitglied der Regierungspartei landesweit bekannt.



Zünglein an der Waage

Angesichts der Umfragewerte hat die "Palikot-Bewegung" Chancen, im Parlament zum Zünglein an der Waage aufzusteigen. Weder die rechtsliberale Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk noch die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) haben eine realistische Chance auf eine absolute Mehrheit. Die PO kommt in den Umfragen momentan auf etwa 34 Prozent, die PiS auf rund 30 Prozent. Polen wird folglich aller Wahrscheinlichkeit nach wieder eine Koalitionsregierung bekommen.



Tusks Wunschpartner, die bislang mitregierende konservative Bauernpartei PSL, muss laut den Meinungsforschungsinstituten um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. Zudem liegt die antiklerikale Partei fast gleichauf mit den fast ebenso kirchenkritischen Sozialdemokraten. Eine Koalition mit der PiS schloss Palikot aus. Deren Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski hatte er schließlich auch mehrfach wüst beleidigt.



Während Polens Bischöfe sich bislang nicht zur neuesten Entwicklung äußerten, bekennt einer der wichtigsten Kommentatoren der Kirchenpresse bereits seine großen Sorgen. Wenn die Sozialdemokraten oder die "Palikot-Bewegung" in die Regierung einzögen, drohe "ein Krieg der Weltanschauungen" und eine Politik im Widerspruch zur kirchlichen Lehre, so Bogumil Lozinski. Das führe zu einer "Erosion unserer Zivilisation".