Polens Ministerpräsident Donald Tusk sieht gar einen historischen Superlativ: «Solch eine Tragödie hat die moderne Welt noch nie erlebt.» Wegen des Zeitpunkts des Flugzeugabsturzes zog der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, Parallelen zum Tod von Papst Johannes Paul II. (1978-2005). Das Unglück habe sich wie der Tod des Papstes aus Polen am Vortag des Festes der Göttlichen Barmherzigkeit ereignet. Das gebe Anlass zum Nachdenken, so Michalik. Neben dem Ehepaar Kaczynski waren bei dem Unglück führende Persönlichkeiten aus Politik, Militär, Kirche und Gesellschaft, ums Leben gekommen.
Beim Absturz der Regierungsmaschine kurz vor der Landung in Smolensk kamen alle 96 Insassen ums Leben. Die Delegation wollte der polnischen Opfer der sowjetischen Massenerschießungen in Katyn zu Beginn des Zweiten Weltkrieges gedenken. Als Unglücksursache wird ein Pilotenfehler vermutet. In Polen wird auch spekuliert, dass Kaczynski trotz schlechter Sicht die Landung angeordnet haben könnte. In der Vergangenheit hatte sich ein Pilot einer Präsidentenmaschine beschwert, dass er vom Staatsoberhaupt in Georgien zu einer riskanten Landung gezwungen worden sei.
Die Folgen des Flugzeugabsturzes für die polnische Politik sind gravierend. Bei dem Unglück starben neben dem nationalkatholischen Kaczynski zahlreiche weitere Spitzenpolitiker des Landes, darunter der Kandidat der Linken für die im Herbst geplanten Präsidentenwahlen, Jerzy Szmajdzinski. Kaczynski wollte demnächst offiziell den Wahlkampf für eine zweite Amtszeit eröffnen. In Umfragen führte der Kandidat der rechtsliberalen Bürgerplattform
(PO) Tusks, Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski. Dieser übernahm nun gemäß Verfassung kommissarisch die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts bis zur Wahl eines neuen Präsidenten, die spätestens bis zum 20. Juni erfolgen muss.
Als möglicher Kandidat der bisherigen Präsidentenpartei «Recht und Gerechtigkeit» (PiS) gilt nun deren Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski, der Zwillingsbruder von Lech. Viele Alternativen hat die PiS nicht. Denn die zweitwichtigste Politikerin der Partei, Fraktionschefin Grazyna Gesicka, kam bei der Katastrophe ebenfalls ums Leben.
Die Kaczynski-Brüder verdanken ihre Siege bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen 2005 zu einem guten Teil dem konservativen Kirchensender Radio Maryja. Mit dessen offener Unterstützung war es jedoch zuletzt fast ganz vorbei. Medienberichten zufolge wollte der Sender in der ersten Runde der Wahlen für den Kandidaten einer rechtskonservativen Splitterpartei werben. Nur bei einer Stichwahl wollte er angeblich für den Amtsinhaber Partei ergreifen.
Alle polnischen Parteien würdigten die Verdienste von Lech Kaczynski. Unbestritten führte er Polen als Präsident zu neuem Selbstbewusstsein. Er setzte sich in der EU entschieden für polnische Interessen ein, forderte etwa eine stärkere Stimmengewichtung für Warschau im Ministerrat. Wichtig war ihm die Geschichtspolitik, in deren Mittelpunkt die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs und des kommunistischen Regimes standen.
Kaczynski brüstete sich noch vor fünf Jahren damit, keinen Kontakt zu deutschen Politikern zu haben. Von der Bundesrepublik kannte er vor seinem Amtsantritt nur den Frankfurter Flughafen - vom Umsteigen. Geprägt hat ihn seine Kindheit in dem von Deutschen im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten Warschau. Sein Vater wurde beim Warschauer Aufstand 1944 verwundet und starb früh.
Auf Konfrontationskurs gegen Deutschland ging er als Staatschef nicht mehr. Im Gegenteil. Häufig betonte er: «Ich bin ein Freund der Deutschen.» Besonders die klassische Musik bewundere er am Nachbarland und wünsche sich enge Beziehungen. Zumindest sein Verhältnis zu Bundespräsident Horst Köhler galt als ausgezeichnet.
Polen trauert um Präsident Lech Kaczynski
Ein nationaler Katholik
Autos und Straßenbahnen stoppten. TV- und Hörfunksender unterbrachen das Programm. Mit zwei Schweigeminuten gedachte Polen am Sonntagmittag der Opfer der Flugzeugkatastrophe von Smolensk. Das ganze Land trauert um Staatspräsident Lech Kaczynski und die weiteren Opfer.
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