Politik und Kirche würdigen Verfassungsgericht

Glücksfall der deutschen Geschichte

Rund 1.000 Gäste haben am Mittwoch in Karlsruhe an einem Festakt zum 60-jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts teilgenommen. Bundespräsident Christian Wulff bezeichnete das Gericht als "den Schlussstein im Kuppelbau unserer Verfassungsarchitektur". Und alle wüssten, dass Kuppeln ohne Schlussstein einstürzten.

 (DR)

Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnerte in ihrer Rede an die Ansprache von Papst Benedikt XVI. im Bundestag, der sich mit der Frage befasst habe, was die Grundlage eines Rechtsstaats ausmache; politischer Erfolg solle dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet sei. "Politische Demut" und die Absage an Allmachtsansprüche seien für einen Rechtsstaat unabdingbar. Darauf zu achten, sei das große Verdienst der Hüter des Grundgesetzes.



Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betonte, Karlsruhe sei zum Synonym für den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat geworden. In alten Zeiten habe man gesagt, alle Wege führten nach Rom. Heute endeten alle in Karlsruhe. In Anlehnung an die Stellung Roms in der katholischen Kirche gilt laut Kretschmann auch der Satz: "Karlsruhe locuta causa finita", übersetzt "Karlsruhe hat gesprochen, der Fall ist erledigt".



Zollitsch: Garanten der geschaffenen staatlichen Ordnung

Der Vorsitzende der Deutsche Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, bezeichnete das Gericht in Bonn als Glücksfall der deutschen Geschichte. Es sei "einer der Grundpfeiler und der Garanten der mit dem Grundgesetz geschaffenen staatlichen Ordnung". Die Kirche sei dankbar, dass das Gericht "in 60 Jahren ganz maßgeblich dazu beigetragen hat, diese Grundorientierung zu sichern und die unveräußerlichen Menschenrechte jedes einzelnen zu wahren". Zollitsch appellierte an die Richter, bei der Auslegung der Grundrechte positive Religionsfreiheit - das Recht auf eine ungehinderte aktive und öffentliche Ausübung des eigenen Glaubens - nicht gegenüber der negativen Religionsfreiheit in den Hintergrund treten zu lassen.



Im Rahmen der Feier stellte der Frankfurter Jurist Michael Stolleis das Buch "Herzkammern der Republik - Die Deutschen und das Bundesverfassungsgericht" vor, in dem prominente Autoren ihre Außensicht des Verfassungsorgans wiedergeben, unter anderen der evangelische Theologe und SPD-Politiker Richard Schröder, der Münchener Kardinal Reinhard Marx und Heribert Prantl von der "Süddeutschen Zeitung".