Politiker bedauert Aussage - Forderung nach Gutscheinen für "Hartz IV"-Empfänger

Beruhigungsversuche nach Mißfelder-Äußerung

Der wegen seiner diskriminierenden Äußerung zu "Hartz IV"-Empfängern in die Kritik geratene CDU-Spitzenpolitiker Philipp Mißfelder hat am Wochenende versucht, die Wogen in der Diskussion zu glätten. Er wolle die Debatte "versachlichen", sagte Mißfelder. Diese sei "unglücklich gelaufen". Das CDU-Präsidiumsmitglied regte an, bei weiteren Erhöhungen des "Hartz IV"-Kinderregelsatzes Gutscheine statt Bargeld an die Leistungsempfänger auszugeben. Diese Gutscheine könnten beispielsweise zur Finanzierung der Schulspeisung, von Nachhilfeunterricht und für Sport genutzt werden.

 (DR)

Mißfelder hatte laut einem Zeitungsbericht bei einer Parteiveranstaltung in Haltern am See (Kreis Recklinghausen) mit Blick auf die Erhöhung des «Hartz IV»-Kinderregelsatzes ab 1. Juli gesagt: «Die Erhöhung von 'Hartz IV' war ein Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie.» Mißfelder räumte nun ein, viele «Hartz IV»-Empfänger seien unverschuldet in Not geraten. Allerdings müsse die Zielgenauigkeit der Hilfen geprüft werden. «Mir geht es darum, dass das Geld bei den Kindern ankommt», sagte der 29-jährige Bundestagsabgeordnete.

Er sagte weiter, er habe «überhaupt nichts gegen 'Hartz IV'-Empfänger, und ich will sie auch nicht beleidigen». Aber auch seine «schärfsten Kritiker können nicht bestreiten, dass es Missbrauch gibt». Wenn «Hartz IV» erhöht werde, müsse das dort, wo Kinder im Haushalt leben, den Kindern zugute kommen. «Ich wollte niemanden beleidigen. Aber wir dürfen uns nicht bei jeder Diskussion politische Tabus auferlegen.»

Der Präsident des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, nannte Mißfelders Äußerung unerträglich und kritisierte seinen Vorschlag. «Der Vorschlag, Gutscheine an 'Hartz IV'-Empfänger auszugeben, stigmatisiert Langzeitarbeitslose.«

Die Chefin der SPD-Nachwuchsorganisation Jungsozialisten, Franziska Drohsel, sagte, es sei perfide, dass Mißfelder «Hartz IV»-Empfängern unterstelle, das Geld nicht für den Nachwuchs, sondern für Alkohol und Zigaretten auszugeben. «Er tut so, als würden alle, die nicht arbeiten, ihre Kinder schlecht behandeln.»

Der Vorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, forderte Mißfelder zu einer Entschuldigung auf. «Auch ich habe mich im Leben entschuldigt, wenn mal was daneben gegangen ist», sagte Wulff. Dies gelte insbesondere dann, wenn eigene Äußerungen missverständlich gewesen seien.

Der stellvertretende Linke-Vorsitzende, Klaus Ernst, forderte einen Rückzug Mißfelders aus dem politischen Leben. «Ein gut abgesicherter Parteijugendfunktionär, der erst alte Menschen verhöhnt und dann Millionen 'Hartz IV'-Bezieher beleidigt, ist einfach untragbar», sagte Ernst.

Mißfelder war bereits 2003 in die Kritik geraten, weil er sich gegen künstliche Hüftgelenke für 85-Jährige «auf Kosten der Solidargemeinschaft» ausgesprochen hatte.