Politiker läuten nächste Runde im Islam-Konflikt ein

"Konflikt nicht tabuisieren"

Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat Papst Benedikt XVI. gegen Kritik aus dem Islam verteidigt. Dass dessen Worte zur Gewalt im Islam, die auf die Rationalität des Glaubens und einen friedfertigen religiösen Dialog zielten, zu Massenausschreitungen geführt hatten, "muss uns schon erschrecken", sagte Koch dem Nachrichtenmagazin Focus.

 (DR)

Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat Papst Benedikt XVI. gegen Kritik aus dem Islam verteidigt. Dass dessen Worte zur Gewalt im Islam, die auf die Rationalität des Glaubens und einen friedfertigen religiösen Dialog zielten, zu Massenausschreitungen geführt hatten, "muss uns schon erschrecken", sagte Koch dem Nachrichtenmagazin Focus. Wenn Menschen in islamischen Ländern eine solche Aufforderung nicht vertragen könnten, stellten sich Fragen nach ihrem Werteverständnis.  - Der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso,  beklagt mangelnde Unterstützung des Papstes durch Politiker.

Koch: Tendenz in Teilen des Islam "andere Religionen zu unterdrücken"
"Es hilft nichts, einen Konflikt, der schon da ist, zu tabuisieren", betonte Koch. Ganz sicher gebe es bei Teilen des Islam die Tendenz, "andere Religionen zu unterdrücken, jedenfalls deren freie Entfaltung zu behindern". Er sehe die geplante Reise des Papstes in die Türkei gefährdet, sagte der CDU-Politiker.

Wenn ein großer Teil der türkischen Bevölkerung die Werte des Papstes nicht akzeptieren könne, "wird der Vatikan neu nachdenken". Die Türkei stehe "im Zwiespalt zwischen dem Islam und der Tradition Europas". Es könne sein, dass die Türkei ein ganz normales muslimisches Land werde.

Barroso beklagt mangelnde Unterstützung des Papstes durch Politiker
Der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, wirft Europas Politiker vor, den Papst im Streit um seine Islam-Rede gegen islamischen Fundamentalismus im Stich gelassen zu haben. "Ich war enttäuscht, dass es nicht mehr europäische Führer gab, die sagten: Natürlich hat der Papst das Recht, seine Ansichten zum Ausdruck zu bringen", sagte Barroso der Welt am Sonntag. "Das Problem sind nicht die Äußerungen des Papstes, sondern die Reaktionen der Extremisten", fügte er hinzu.

Den Grund für die Zurückhaltung sieht Barroso in der "Besorgnis über eine mögliche Konfrontation", aber auch in einer "Art politischer Korrektheit", der zufolge «man nur dann tolerant ist, wenn man die Meinung der anderen über die eigene stellt". Er könne jedoch nur raten, Extremisten, die die Zerstörung der westlichen Zivilisation zum Ziel erklärten, "sehr ernst zu nehmen". Europa brauche eine gemeinsame Antwort auf diese Gefahr. "Wir müssen unsere Werte verteidigen", sagte Barroso. "Wir sollten auch die moderaten Führer in der islamischen Welt, und das ist die Mehrheit, ermutigen, sich deutlicher von diesem Extremismus abzugrenzen."

Huber: "Kritische Sicht auf die Geschichte"
Bischof Wolfgang Huber hat den Islam zur Distanzierung vom Extremismus aufgerufen. Dazu müsse auch eine kritische Aufarbeitung der Tradition gehören, Gewalt religiös zu legitimieren, sagte Huber am Samstag in einem Hörfunk-Interview. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland bezeichnete ein Bild des Islam, das sich nur aus terroristischen Aktivitäten bestimmter Gruppen speist, als falsch. "Aber ein Bild, das solche Ereignisse ignoriert, ist es auch", betonte der Bischof. Huber mahnte zugleich die Christen zum selbstkritischen Blick auf die eigene Geschichte, wenn sie eine Abkehr von jeder Gewalt forderten. So dürften sie ihre Konfessionskriege, die Verbindung von Nationalismus und Christentum oder den christlichen Antijudaismus nicht verschweigen. Nur eine kritische Sicht auf die Geschichte der Religionen könne deren Kampf gegeneinander vermeiden.

Lammert: "EU muss dringend ihre Grenzen klären"
Europa habe "ganz sicher Grenzen", so Lammert. Die "entscheidende Frage" sei, ob das nur etwas "mit dem Territorium oder auch mit der Geschichte, der Kultur und dem Selbstverständnis" zu tun habe, sagte der CDU-Politiker am Samstag im RBB-Inforadio. Vor wenigen Tagen hatte sich bereits CSU-Chef Edmund Stoiber unter Verweis auf türkische Reaktionen zur Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. gegen einen EU-Beitritt Ankaras gewandt.

Die EU müsse dringend ihre Grenzen klären, forderte Lammert. Eine Mitgliedschaft der Türkei würde gerade mit Blick auf die kulturelle Identität der Gemeinschaft eine "prinzipielle Veränderung" sein. Nach seiner Überzeugung werde damit die Konsistenz der europäischen Gemeinschaft prinzipiell verändert.