Politikerin Grütters warnt Kirchen vor Selbstbezogenheit

"In politische Debatten einmischen"

Die CDU-Bundestagsageordnete Monika Grütters hält am Mittwoch in der Abtei Maria Laach eine Fastenpredigt. An die Kirche appelliert sie, Frauen mehr Rechte einzuräumen. Auch solle sie mehr in Politik und Gesellschaft mitmischen.

Monika Grütters / © Soeren Stache (dpa)
Monika Grütters / © Soeren Stache ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind katholisch und engagieren sich ehrenamtlich beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Inwiefern spielt die Fastenzeit für Sie eine Rolle? Fasten Sie selbst? 

Professorin Monika Grütters (CDU-Bundestagsabgeordnete, Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und ehemalige Kulturstaatsministerin): Fasten und Advent sind so Zeiten, die sich im Politikbetrieb nicht wirklich realisieren und umsetzen lassen. Aber mir sind natürlich – katholisch-sozialisiert, wie ich bin – diese Phasen im Jahr schon wichtig, Zeiten in denen man mit besonderer Sensibilität auf Schwingungen achtet oder sich selbst in den Blick nimmt, sich auch mal zurückzieht oder in den Bußgottesdienst geht. Es ist nur schwierig, das in konkretem alltäglichen Handeln umzusetzen, wenn man in diesem hektischen Politikbetrieb steckt. 

DOMRADIO.DE: Eine Rede im Bundestag ist etwas anderes als das, was Sie an diesem Mittwoch geplant haben. Um was geht es in Ihrer Fastenpredigt? 

Grütters: Es geht mir um Barmherzigkeit in Politik und Gesellschaft und darum zu zeigen, wie das Evangelium vom barmherzigen Samariter tatsächlich auch in konkrete Politik umsetzbar ist und wo die Grenzen sind.

Es gibt eine Vielzahl von Bedürfnissen, anders als in dem Gleichnis. Wir müssen in der Politik Machbares und Wünschenswertes trennen und wir sind dem Zwang zum Kompromiss unterlegen. Aber es gibt auch Punkte, in denen die Barmherzigkeit, so wie sie da zum Ausdruck kommt, wichtig ist.

Wir brauchen sie als Wurzel der Gerechtigkeit. Wir versuchen, sie als Wegbereiterin für Verständigung und Toleranz zu nehmen. Sie ist eine Begleiterin, eine notwendige unserer Freiheit. Sie erzieht zur Empathie. Das sind ein paar Dinge, mit denen ich klarmachen möchte, dass Politik und Bibel manchmal auch gut zusammenpassen.

Abteikirche Maria Laach (DR)
Abteikirche Maria Laach / ( DR )

DOMRADIO.DE: Dass Sie in einem katholischen Kloster predigen, passt eigentlich nicht. Denn Sie sind eine Frau und offiziell ist das Predigen den geweihten Männern vorbehalten.

Monika Grütters

"Gerade Ordensgemeinschaften laden Frauen wie mich öfters ein. Es ist nicht das erste Mal, dass ich an einem Ambo stehe."

Grütters: Das ist richtig. Es ist in der katholischen Welt nicht üblich, dass Laien und erst recht nicht Frauen in einer Kirche "predigen". Aber die Kanzel-Predigt ist ein besonderes Format, was vielleicht auch deshalb erfunden wurde, damit auch mal Laien, Wissenschaftler, Journalisten, die auch meinungsbildend sind, sowie Politiker zu einer Gemeinde sprechen können. Gerade Ordensgemeinschaften laden Frauen wie mich öfters ein. Es ist nicht das erste Mal, dass ich an einem Ambo stehe.

DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es inzwischen viel Bewegung in der deutschen katholischen Kirche. Manche Bischöfe sind bereit, alte Strukturen aufzubrechen, wollen Frauen mehr Teilhabe in der Kirche ermöglichen. Gleichzeitig gibt es Dämpfer aus dem Vatikan. Wie beobachten Sie das? 

Grütters: Ich selbst habe am Synodalen Weg teilgenommen und zwar in dem Bereich Frauen in Diensten und Ämtern. Ich bin deshalb natürlich besonders sensibel für das, was aus Rom kommt. Immer wieder müssen wir uns sagen lassen, ihr könnt hier als Landeskirche, als deutsche nationale Kirche nicht machen, was ihr wollt, sondern das muss man in den weltkirchlichen Kontext einordnen.

Wenn etwas aus dem Vatikan kommt, ist das manchmal nicht nur ein Dämpfer, sondern man muss aufpassen, dass man das nicht als ganz und gar vergeblich ansieht, was man hier im deutschen Kontext versucht zu erneuern. Aber das tun wir nicht.

Monika Grütters

"Wenn sich die Kirche nicht öffnet, wird sie noch weiter schrumpfen".

Wir lassen uns nicht entmutigen, und das Ringen um gemeinsame Positionen auch in einer Instanz höher ist wirklich wichtig. Nur wenn sich die Kirche nicht öffnet, wird sie noch weiter schrumpfen. Und ich glaube, die Frage der Beteiligung von Frauen ist geradezu zentral dabei.

DOMRADIO.DE: Jetzt erleben wir aktuell eine Situation, in der die Demokratie in eine Krise zu geraten droht. Was kann Religion, auch die Kirche, dazu beitragen, um Demokratie zu stabilisieren?

Grütters: Kirchen sind ganz wichtige gesellschaftliche Autoritäten. Sie haben in letzter Zeit an Bedeutung verloren. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich wieder aus der Selbstbezüglichkeit heraus in politische, öffentliche, gesellschaftliche Debatten einmischen.

Monika Grütters

"Religionen und Kirchen können gerade Werte vermitteln wie Toleranz, Mitgefühl, soziale Gerechtigkeit. Da sind sie einfach glaubwürdiger als andere gesellschaftliche Player."

Religionen und Kirchen können bestimmte Werte vermitteln wie Toleranz, Mitgefühl, soziale Gerechtigkeit. Da sind sie einfach glaubwürdiger als andere gesellschaftliche Player. Sie können dazu beitragen, das Bewusstsein zum Beispiel für die Bedeutung von Integrität, also Charaktereigenschaften, Empathie, Verantwortungsgefühl in der Gesellschaft zu stärken.

Sie können Räume für Menschen schaffen, die trotz anderer Herkunft, anderer Meinung, anderer Voraussetzungen mit uns zusammenkommen. Wir können Brücken bauen. In der christlichen Soziallehre geht es gerade um die Hinwendung zu Armen, zu Benachteiligten, zu Minderheiten. Ich glaube, dass das heute wichtiger ist denn je.

Von einem Satz bin ich ganz überzeugt: Wer seine eigene Herkunft und Identität kennt, sich mit ihr versöhnt, kann auch dem anderen und dem Fremden, was uns in unserer heterogenen Gesellschaft immer wieder begegnet, entgegen treten, ohne sich dadurch gleich bedroht zu fühlen. Insofern glaube ich, da sind Kirchen und Religionsgemeinschaften einfach sehr, sehr wichtig.

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Geschichte der Abtei Maria Laach

Maria Laach wurde 1093 gegründet. Durch die Wiederbesiedlung durch Benediktinermönche aus der Erzabtei Beuron 1892 wurde die Abtei zum Mittelpunkt der deutschen liturgischen Bewegung und zum Zentrum für geistige, künstlerische und handwerkliche Betätigung. Seitdem ist es ein Ort mit geistlicher Ausstrahlung und insbesondere auch heute Anziehungspunkt für viele Menschen.

1093      gründete Pfalzgraf Heinrich II. von Laach das Kloster.

Abtei Maria Laach / © Elena Kharichkina (shutterstock)
Quelle:
DR