domradio.de: Eine Fraktion spaltet sich auf, so etwas hat es in dieser Form in Deutschland noch nie gegeben. Ganz grundsätzlich, was bedeutet das denn für den Landtag in Baden-Württemberg? Wie geht es jetzt weiter?
Andreas Püttmann (Politikwissenschaftler und Journalist): Der Oppositionsführer kommt nun wieder aus der SPD, der drittstärksten Fraktion. Und die FDP ist nun nicht mehr die kleinste Fraktion. Das hat einige Konsequenzen z.B. beim Rederecht. Die beiden AfD-Gruppen werden nun um die Anerkennung durch die Bundes-AfD als ihre legitime Organisation im Landtag von Baden-Württemberg konkurrieren. Da hat Meuthen zunächst einmal die besseren Karten. Das könnte Frauke Petry als Parteivorsitzende weiter unter Druck setzen.
domradio.de: Jetzt müsste die Parteiführung eigentlich hingehen und sagen: Rechtes Gedankengut ist bei uns absolut nicht willkommen. Solche klaren Statements sucht man da aber eher vergeblich.
Püttmann: Weil man gerne die Wählerstimmen der Rechten auf die eigenen Mühlen lenken will, aber selber nicht rechts sein will. Das ist der Konstruktionsfehler der AfD. Wir erleben zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass Konservative gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen in einer Partei machen. Das ist auch das Beunruhigende. Es gab schon einige rechte Parteien mit Wahlerfolgen in der Vergangenheit. Aber es gab noch nicht diese Überschneidung von Konservativen und Rechtsradikalen. Nach einer Studie der Universität Leipzig hat ungefähr die Hälfte der AfD-Wähler eine chauvinistische oder ausländerfeindliche Einstellung. 17 Prozent haben eine antisemitische Einstellung. Meuthen erlebt nun, dass man als Konservativer oder Rechtsliberaler schlecht gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen machen kann. Irgendwann fällt einem das auf die Füße.
domradio.de: Gibt es auch Überschneidungspotenzial mit den kirchlich gebundenen Kreisen?
Püttmann: Wir haben in der Parteispitze bekennende Christen, etwa Meuthen, Petry und von Storch. Es gibt auch eine Gruppe "Christen in der AfD". Es gibt Schnittmengen, wenn man Christsein hauptsächlich als Ordnungsideologie, als einen Identitätsmarker versteht. Also wo das Rechtskonservative, das ja immer sehr ordnungsfixiert ist, das Christliche überwölbt. Generell wählen die kirchennahen Christen unterdurchschnittlich AfD. Aber es gibt innerhalb auch der praktizierenden Christen durchaus eine kleine Gruppe, die versucht, den sogenannten Genderwahn oder die Islamisierung Deutschlands zu verhindern und dazu mit Rechten in der Politik gemeinsame Sache macht. Aber sie sind nicht repräsentativ für die Christen.
domradio.de: Wie viel Protest steckt in den AfD-Wählern und wie viel ist denn wirklich Überzeugung?
Püttmann: Man hat die AfD-Wähler in Baden-Württemberg nach ihren Beweggründen gefragt. Nur 21 Prozent waren inhaltlich von der Partei überzeugt. 70 Prozent haben Enttäuschung über andere Parteien als Grund für ihr Wahlverhalten angegeben. Bei den Wählern anderer Parteien ist das Verhältnis genau umgekehrt. Wir haben es also mit einem überwiegenden Anteil an Protestwählern zu tun. Selbst die Hälfte der AfD-Wähler hat ausgesagt, die AfD distanziere sich nicht ausreichend von rechtsradikalen Positionen. Trotzdem haben sie die Partei gewählt.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.