Der Polizeichef des Vatikan, Domenico Giani, räumt seinen Posten. Die Personalie wäre kaum der Erwähnung wert, wären da nicht die Umstände und die besondere Rolle der päpstlichen Gendarmerie. Der 57-Jährige trägt die Konsequenzen einer Polizeipanne.
Hintergrund ist eine versemmelte Immobilieninvestition des Heiligen Stuhls in dreistelliger Millionenhöhe. Im Zuge von Ermittlungen suspendierte die vatikanische Staatsanwaltschaft vier Mitarbeiter des Staatssekretariates und den Direktor der Finanzaufsicht und verhängte ein Zutrittsverbot. Die betreffende interne Dienstanweisung der Gendarmerie mit Namen und Fotos der Verdächtigten erschien prompt im Magazin "L'Espresso" als Faksimile. Nicht das erste Mal, dass sensible Informationen nach außen drangen.
Schwindet im Vatikan der Sinn für Loyalität
Das nährte den Eindruck, Giani habe seine kleine Truppe nicht im Griff. Kardinal Angelo Becciu, zur Zeit des Immobiliendeals Leiter der betreffenden Abteilung im Staatssekretariat, beklagte am Sonntag mit Blick auf den veröffentlichten Steckbrief, im Vatikan schwinde der Sinn für Loyalität und Treue.
Abgesehen davon verschafft sich ein Polizeichef auch in treuer Pflichterfüllung nicht nur Sympathien. Der Vatikan betonte am Montag, Giani treffe "keinerlei persönliche Verantwortung". Vielleicht soll der Rücktritt im Eklat auch von den eigentlichen Akteuren des aktuellen Finanzskandals ablenken.
Seine freundlichste Rolle spielte Giani, wenn er bei Fahrten des Papstes im Papamobil dem Kirchenoberhaupt Kleinkinder aus der Menge anreichte, damit er sie herze und segne. Der blankköpfige, imposante Sicherheitschef erfüllte diesen Dienst mit zartfühlender Geduld und Umsicht, unter Franziskus wie schon unter Benedikt XVI.
Auch mal hart zupacken
Dass der zweifache Familienvater auch schnell und hart zupacken kann, zeigte er an Weihnachten 2009, als eine Schweizerin beim Einzug des Papstes zur Christmette die Absperrung übersprang. Giani brachte die Frau mit einem Tackling zu Boden; allerdings fiel im Domino-Effekt ein 87-jähriger Kardinal und zog sich einen Oberschenkelhalsbruch zu.
Dottor Giani, wie er wegen seiner Promotion im Fach Sozialpsychologie respektvoll genannt wird, kann liebenswürdig mit Bekannten sein, arrogant gegenüber No-Names, bullig in Vernehmungen. Libero Milone, bis Juni 2017 oberster Wirtschaftsprüfer im Vatikan und seinerzeit mit 69 Jahren ein gestandener Finanzexperte, berichtete nach seinem Rücktritt, den er im Nachhinein als erzwungen darstellt, Giani habe ihn "angebrüllt" und ihn einzuschüchtern versucht.
Zum Vatikan kam Giani 1999 nach beruflichen Stationen bei der italienischen Finanz- und Justizpolizei sowie beim Inlandsgeheimdienst. Kein schlechtes Rüstzeug für einen Mann, der später auch für Sicherheitskonzepte und Gefahrenabwehr im Vatikan zuständig sein sollte. 2006 übernahm Giani die Leitung der vatikanischen Sicherheitsdienste und der Gendarmerie von Camillo Cibin, der nach 58 Dienstjahren in Ruhestand trat.
Entwicklung setzt sich fort
Unter dem neuen Generalinspekteur setzte sich die Entwicklung des Gendarmeriekorps fort. 2008 trat der Vatikan Interpol bei; seit 2014 besteht ein internationales Netzwerk von Polizei, Kirche und Sozialarbeitern gegen Menschenhandel, das sich nach seinem Treffpunkt in der päpstlichen Residenz "Santa Marta Group" nennt. Ein ähnliches Strategiebündnis wurde 2017 gegen organisierte Kriminalität und Korruption angekündigt.
Mit der globalen Sicherheitslage änderten sich seit 2001 auch einige Dinge im Vatikan. Inzwischen gibt es eine Antiterroreinheit und eine Schnelle Eingreiftruppe. Galten Gendarmerie und Schweizergarde lange als rivalisierend, so treten beide Einheiten mittlerweile außerhalb des Vatikanstaates gemeinsam als "Sicurezza Vaticana" auf.
Zugleich blieb und wuchs der Einfluss Gianis als Direktor der Sicherheitsdienste. Doch hier und da, so während des "Vatileaks"-Skandals um vertrauliche Dokumente, schien aufzublitzen, dass auch bei den Ordnungshütern nicht alles makellos läuft. Selbst Gianis Rücktritt wurde durch Indiskretionen vorab verbreitet. Am Sonntag holte der Polizeichef seine Mannschaft zusammen und bat sie, bis zur offiziellen Mitteilung Schweigen zu bewahren. Italienische Zeitungen druckten seinen Appell am nächsten Morgen.