Pontifikalamt aus dem Kölner Dom - Predigt als Text, Audio und Video

Feier vom Leiden und Sterben Jesu Christi

domradio übertrug an Karfreitag aus dem Kölner Dom den Gottesdienst mit dem Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner. Meisner sprach in seiner Predigt von zwei Kreuzen: "das Kreuz Christi und mein persönliches Kreuz. Sie rufen sich gegenseitig, und wir sollen dieses Rufen hören." Wenn dieses Rufen nicht mehr gehört werde, müsse "man misstrauisch werden gegen alle Versuche der Menschen, auf eine andere Art mit dem Problem des Leidens fertig zu werden."

 (DR)

Die Liturgie des Karfreitags hat ihre eigene Stimmung, und vielen fällt es nicht leicht, sich ihr auszusetzen. Zum einen, weil man an die Spuren des Leids im eigenen Leben erinnert wird, zum anderen, weil eine "Feier vom Leiden und Sterben Christi" geradezu paradox erscheinen mag. Aber schaut man genauer hin, dann geht es in der Liturgie nicht um die Verherrlichung von Qual und Leiden, sondern darum, nichts von dieser Wirklichkeit zu leugnen, aber auch die Hoffnungsspur im Leiden und durch es hindurch zu entdecken. Wir feiern Karfreitag und wissen, dass dies nicht die letzte Station ist, dass Ostern folgen wird. Alle Texte des Tages sprechen nicht allein von Erniedrigung Christi und seinem Leiden, sondern auch von tiefem Gottesvertrauen und von Rettung. Hoffnungslicht von Ostern scheint schon in den Karfreitag hinein.

Erste Lesung
"Seht, mein Knecht hat Erfolg, er wird groß und erhaben sein." In der Perspektive der Betrachter zählt zunächst nur die äußere Erscheinung, und die ist so, dass man gar nicht hinschauen mag. Hinzu kommt das entstellende und entfremdende Leiden, das zu Spott und Verachtung reizt. Erst durch die Perspektive Gottes, der Gefallen findet an seinem zerschlagenen Knecht und ihn rettet, offenbart sich auch für die Betrachter die Bedeutung des Gottesknechts: "Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt."

Zweite Lesung
Es gibt Menschen, die viel durchgemacht haben. Genau dies sagt auch der Hebräerbrief von Christus aus. Er hat das ganze menschliche Leben durchlebt, alle seine Bitternisse durchlitten. Er kennt Menschsein nicht nur von außen, sondern von innen - und von unten. Und der Hebräerbrief spitzt diese Aussage noch weiter zu. Nicht eine hoheitsvolle Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden, sondern seine Angst, sein Schreien, seine Tränen haben Christus das Menschsein kennenlernen und auskosten lassen. Und weil er als Sohn Gottes dieses Leiden geteilt und getragen hat, ist er Mittler zwischen Gott und Menschen und Grund unserer Hoffnung. Der Hebräerbrief macht diese Bedeutung Christi zum Zentrum seiner Theologie und nennt Christus daher den einzigen und wahren Hohenpriester.

Passion
Die Johannespassion ist ein österlicher Text und ein Text vom Leiden Christi zugleich. Der Evangelist weiß, dass im Leiden Christi die Ursache unserer Hoffnung auf Überwindung von Leiden und Tod liegt. So verknüpft er in seiner Passionsdarstellung beides miteinander: die Passion als Leiden und Sterben Jesu Christi und zugleich als Rettungsgeschehen, als Zeichen des göttlichen Heilsplanes von der Überwindung des Leidens. Die Souveränität, mit der Jesus im Johannes-Evangelium sein Leiden trägt, zeigt ihn als Überwinder des Todes. Er ist der wahre König und der Retter der verlorenen Menschheit. Das Kreuz ist sein Thron, aus der geöffneten Seite Christi entspringt das Wasser des Lebens. - Bei der Kreuzverehrung im Gottesdienst zeigen wir, dass wir uns gläubig, hoffend in diese Perspektive hineinstellen. Wir feiern den gekreuzigten, zugleich aber den erhöhten Jesus Christus. Im Kreuz ist Heil, Leben und Hoffnung.

(Quelle: Messbuch 2008, Butzon & Bercker Verlag)