Kardinal Rainer Maria Woelki hat erstmals als Kölner Erzbischof einen Gottesdienst mit dem Festkomitee des Kölner Karneval gefeiert. "Im Karneval wird das Kleine groß, das Schwache stark und die Herrschenden werden dem Gelächter preisgegeben", sagte er bei der Messfeier am Donnerstagabend im Kölner Dom. Der "Seitenwechsel an Karneval" ermögliche es, die Dinge mit anderen Augen zu sehen und vielleicht auch sehen zu lernen, dass Macht nur auf Zeit verliehen und Reichtum nichtig sei.
Woelki zitierte das Karnevalslied "Drink doch eine met, stell dich nit esu ahn..." Was hier im kölschen Dialekt schon nostalgisch und idealtypisch beschrieben werde, greife ein Grundanliegen des Evangeliums auf: Lass keinen allein und lass keinen stehen. Im Alltag blieben viele Menschen allein und auf der Strecke, so der Erzbischof. Zwar könne der Karneval nicht die Welt verbessern, er nehme aber die Verhältnisse aufs Korn und gebe den Gedemütigten eine Stimme und den Armen Macht.
Anlässlich der aktuellen Ereignisse in Frankreich verwies Woelki in seiner ersten Predigt an die Karnevalisten auch auf all jene Menschen, denen momentan der Sinn nicht nach ausgelassener Karnevalsstimmung stehe: "Kein Fest ist das Leben für die unzähligen Menschen, die auf der Flucht vor men-schenunwürdigen Bedingungen genau solche bei uns vorfinden. Und kein Fest ist das Leben, wird es vielleicht nie mehr sein, für die Angehörigen und Betroffenen des verbrecherischen Anschlags in Paris, die wir in dieser Stunde in unser Gebet einschließen wollen. Wir tun dies in dem Bewusstsein, dass Gewalt niemals und nirgendwo religiös zu rechtfertigen ist. Genauso wenig wie andere Formen von Ausgrenzung und Stimmungsmache gegen andere, besonders jene, die unsere Hilfe brauchen wie die Flüchtlinge. Lachende Herzen sind für viele Flüchtlingskinder kaum noch vorstellbar. Deshalb brauchen wir eine Willkommenskultur."
Kirche und Karneval
Zunächst ist sicher, dass nicht die Karnevalisten die Dauer einer jeden Session bestimmen. Das jecke Ende leitet sich aus der Lage des christlichen Festes Ostern ab. Einen ersten Vorgeschmack auf die Session gibt es schon im Herbst - dann kalendarisch festgelegt auf den 11. im 11. - also den 11. November. Für die Verantwortlichen im Kölner Karneval - ganz konkret der Vorstand des Festkomitees - und das designierte Kölner Dreigestirn wird es an diesem lebhaften Tag zunächst still. Denn die "Karnevalsoffiziellen" besuchen morgens erst den Dom, besinnen sich einen Moment, kommen kurz zur Ruhe und erleben, wie klein doch der einzelne Mensch in diesem großartigen, mächtigen Gebäude erscheint. Wenige Stunden später werden diese Personen von den Medien begleitet, auf den karnevalistischen Bühnen begrüßt und gefeiert. Dies ist der Vorgeschmack auf das, was in der Session folgen wird. Vor der Proklamation des Kölner Dreigestirns wird ein Gottesdienst im Hohen Dom zu Köln gefeiert. Dieser Gottesdienst, ein Pontifikalamt, wird durch den Kölner Erzbischof zelebriert. Die Verbundenheit zwischen Karneval und Kirche zeigt sich außerdem in nahezu jeder der einzelnen Karnevalsgesellschaften: Kaum eines der bekannten Traditionskorps verzichtet auf eigene Gottesdienste, die entweder zum Gedenken der Verstorbenen oder zum Auftakt der Session abgehalten werden. Zudem gibt es viele Karnevalsgesellschaften, die auf einen Geistlichen in den eigenen Reihen nicht verzichten wollen. Diese Geistlichen tragen innerhalb der Gesellschaften ganz unterschiedliche Bezeichnungen und gestalten eigene Gottesdienste mit den Karnevalisten.
Pfarrsitzungen und Domsitzung
Zahlreiche Künstler im Karneval haben erste Erfahrungen in Pfarrsälen und bei sogenannten "Pfarrsitzungen" gesammelt. Weit mehr als 100 Pfarrsitzungen zählt man in Köln und sicher ebenso viele Gottesdienste, die den karnevalistischen Bezug herstellen. So mancher Priester predigt in der Session mit Pappnase - wer kann, auch in der "kölschen Sprooch". Denn diese Sprache ist tief aus dem Herzen der Kölner gewachsen und somit gehen solche Botschaften besonders unter die Haut und ans rheinische Herz. In die karnevalistische "Mess op Kölsch" geht der Jeck sogar bunt kostümiert. So gekleidet besucht er natürlich auch die so genannte Domsitzung, eine Karnevalsveranstaltung, bei der sich viele Geistliche und Verantwortliche der Kirche treffen und die kulturellen Werte des Karnevals pflegen. Als traditionsreicher Termin des Kölner Dreigestirns gilt mittlerweile der Besuch beim Erzbischof. Zahlreiche Benefizveranstaltungen, die durch das Festkomitee und das Kölner Dreigestirn unterstützt werden, gibt es in Köln. Dass vergleichbares Engagement auch in der Evangelischen Kirche zu finden ist, versteht sich von selbst. Auch der Besuch des Kölner Dreigestirns beim Stadtsuperintendenten gehört zu den beliebten Terminen eines jeden Trifoliums. Die karnevalistischen Traditionen um die "Schwarze Muttergottes" in der Kirche St. Maria in der Kupfergasse reichen weit zurück. Traditionen werden auch hier gelebt, wenn das Kölner Dreigestirn an einem genau festgelegten Tag eine Kerze aufstellt, um damit Gottes Segen für den Rosenmontagszug zu erbitten.