Der Druck auf den politischen Islam in Deutschland wächst. Am Dienstagabend hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einstimmig ein Positionspapier angenommen, das die staatliche Kontrolle islamistischer Organisationen und Moscheen deutlich verschärfen soll. Die Forderungen reichen von der Schaffung neuer Lehrstühle und Institutionen zur Beobachtung des Phänomens bis zur Überwachung dubioser Finanzströme aus dem islamischen Ausland.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries, treibende Kraft hinter dem Papier, sprach gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) von einem "Riesenerfolg".
Erstmals nehme eine Fraktion das Problem systematisch in den Blick. "Der Politische Islamismus ist Gift für unsere freiheitliche Gesellschaft. Fundamentale Grundwerte wie Gleichberechtigung, Minderheitenschutz, Meinungsfreiheit und die Trennung von Religion und Staat sind unverhandelbar. Darauf kann es keinen religiösen Rabatt geben", so de Vries.
Papier spricht durchweg von "politischem Islamismus"
Das siebenseitige Papier spricht durchweg von "politischem Islamismus" und vermeidet den gängigeren Begriff "politischer Islam".
Ihn hatten Islamvertreter, aber auch christliche Theologen wiederholt kritisiert, weil er die Religion und das legitime politische Engagement von Muslimen unter Verdacht stelle.
Bisher konzentrierte sich die Politik auf die islamistische Terrorgefahr. Das ideologische Vorfeld blieb unterbelichtet, seine Strukturen tauchen hauptsächlich in Berichten des Verfassungsschutzes auf. Die Agitatoren tragen Krawatte und geben sich gesetzestreu, hetzen aber unter Muslimen gegen Demokratie, Frauenrechte, Religionsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung - und entfalten damit eine viel größere Breitenwirkung als jede Terrorzelle bis hin zum Schüren von Gewalt.
Zumal sie sich in der Regel auf agile Organisationen wie die Muslimbruderschaft oder die türkisch-rechtsextremistischen Grauen Wölfe stützen können. Das Unionspapier erwähnt aber auch die türkische Ditib. Der größte Moscheeverband in Deutschland, einst Garant für die säkulare Haltung türkischer Migranten, sei unter Präsident Erdogan immer mehr ins islamistische Fahrwasser gerückt, sagte de Vries der KNA.
Immer wieder akzeptiere der Staat Islamisten als Ansprechpartner - "aus falsch verstandener Toleranz", kritisiert das Dokument.
"Vertreter des Politischen Islamismus, die sich in Politik und Gesellschaft engagieren, werden oft als legitime Religionsvertreter und nicht als Anhänger einer extremistischen Ideologie wahrgenommen." Ihr Ziel bleibe aber die Unterwerfung der westlichen Gesellschaft unter die Normen des fundamentalistischen Islam und die Verhinderung von Integration in Parallelgesellschaften mit hohem Konformitätsdruck.
Islamisten müsse der Staat mit der gleichen Ablehnung begegnen wie politischen Extremisten von links und rechts, heißt es in dem Papier.
Die Abgeordneten fordern zum einen die wissenschaftliche Erforschung des Politischen Islamismus mittels neuer Lehrstühle, eine Dokumentationsstelle "Politischer Islamismus in Deutschland und Europa" sowie eine Schulstudie über den Einfluss islamistischer Propaganda auf Jugendliche. Ein Anlass sind die Sympathiebekundungen muslimischer Schüler für den Mörder des französischen Lehrers Samuel Paty, die im vergangenen Herbst für Erschrecken gesorgt hatten.
Gründung eines Expertenkreises beim Bundesinnenministerium?
Zum anderen sollen islamistische Akteure gezielt unter Druck gesetzt werden. Dazu empfiehlt das Dokument die Gründung eines entsprechenden Expertenkreises beim Bundesinnenministerium (BMI). Zudem soll der Staat "sämtliche finanzielle Zuwendungen, Förderungen, Vertragsbeziehungen und Kooperationen mit islamischen Vereinen und Verbänden, die Beobachtungsgegenstand der Verfassungsschutzämter sind", einstellen.
Um den Einfluss aus islamischen Staaten einzudämmen, fordert das Papier auch mehr Kompetenzen für den Inlandsgeheimdienst bei der Aufklärung von Geldflüssen und eine fiskalische Nachweispflicht für Vereine, die erhebliche Mittel aus Quellen außerhalb der EU beziehen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf mehr staatlichen Impulsen für die Ausbildung von Imamen in Deutschland.
Zu den Opfern der Radikalen zählten gerade auch liberale, säkular eingestellte Musliminnen und Muslime, betonte de Vries. Er hofft auf eine rasche Umsetzung der geforderten Schritte. So könnte der Expertenkreis Politischer Islamismus beim BMI noch in dieser Legislaturperiode die Arbeit aufnehmen.