Positive Bilanz nach internationaler Konferenz in Kambodscha

Landminenfreie Welt keine Utopie mehr

Gleich zum Auftakt gab es diese Erfolgsmeldung: Zum Auftakt der Landminenkonferenz in Kambodscha Anfang der Woche meldete sich Finnland der Ottawa-Konvention - als letztes EU-Land. Positiv fällt auch die Bilanz zum Ende der Tagung aus.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Schwester Denise Coghlan ist mit Verlauf und Ergebnis der Landminenkonferenz fast rundum zufrieden. "Einige Staaten haben erklärt, endlich alle Minen geräumt zu haben. Die Türkei hat Vollzug bei der Vernichtung ihrer Minen gemeldet. Das sind etwa drei Millionen Minen weniger, die Menschen schaden können", sagt die Ordensfrau der Sisters of Mercy. Schwester Coghlan, seit Jahrzehnten in Kambodscha streitbare Aktivistin der Bewegung zum Verbot von Landminen, schaut zuversichtlich nach vorn: "Mehr Länder werden künftig minenfrei sein."



Unter den 1.500 Teilnehmern der Konferenz gibt es wohl wenige, die nach den fünf Tagen von Sitzungen, Beratungen, Diskussionen und Flurgesprächen im Konferenzzentrum "Friedenspalast" - zugleich funkelnagelneuer Amtssitz des Regierungschefs - diese optimistische Bilanz nicht teilen würden. Auch Eva-Maria Fischer von Handicap Deutschland sagt: "Erfolge sind zu feiern, etwa der baldige Beitritt Finnlands und Somalias zum Antilandminenvertrag."



Trotz aller Freude war die Konferenz keine endlose Abfolge guter Nachrichten. Fischer: "Mehrere tödliche Minenunfälle allein in dieser Woche in Kambodscha und Bosnien machen deutlich, dass das Engagement weitergehen muss." Zudem geht Schwester Denise der Marsch in eine minenfreie Welt nicht schnell genug. "Der Fortschritt ist da, aber er kommt nur langsam voran. Das sieht man hier in Kambodscha, das seine Verpflichtung zur vollständigen Minenräumung nicht so schnell wie vertraglich vorgesehen erfüllen kann." Tatsächlich hat die Regierung um zehn Jahre Aufschub gebeten. Es fehlen die finanziellen Mittel, obwohl das Budget zur Minenräumung im vergangenen Jahr weltweit gestiegen ist.



Auch richtig schlechte Nachrichten - wie etwa der fortdauernde Einsatz von Landminen von Birma im Kampf gegen die Unabhängigkeitsarmeen ethnischer Minderheiten - waren von einem Hoffnungschimmer begleitet. Über Birmas erste Teilnahme an einer Konferenz gegen Landminen sagt Schwester Denise lapidar: "Gut, dass sie hier sind." Allerdings: Auch unter den ethnischen Milizen Birmas ist der Gebrauch von Landminen kein Tabu. "Mehr als ein Dutzend einheimischer bewaffneter Oppositionsgruppen benutzen Antipersonenminen", heißt es in einem Dokument der Gruppierung "Stopp den Minengebrauch in Myanmar/Birma".



Mit einigem Recht feierten sich die Streiter der Antilandminenbewegung bei der Konferenz in Kambodscha selbst; dort hatte sie vor 20 Jahren ihren Ursprung. Christopher Moon, ein Urgestein der Bewegung und einer, der als Minenräumer einen Arm verloren hat, sagt: "Wohl in keiner Bewegung arbeiten Zivilgesellschaft, Betroffene und Regierungen so vertrauensvoll zusammen wie hier." Schwester Denise nennt die Ottawa-Konvention zum Verbot von Landminen ein "Modell für andere Abrüstungsabkommen".



Deshalb sind die Aktivisten auch empört über die Ankündigung Großbritanniens, auf den Falkland-Inseln die Landminen aus dem Krieg 1982 nicht räumen zu wollen. Grund: Die Falklands seien sehr dünn besiedelt; die Mittel zur Minenräumung würden besser für andere humanitäre Projekte eingesetzt. Fischer warnt davor, dem Ansinnen der Briten nachzugeben. "Das würde einen Präzedenzfall schaffen. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, alle Minen zu räumen. Da darf es keine Ausnahmen geben." Zumal der Vertrag nicht nur ein humanitäres Werk sei, sondern auch ein Abrüstungsabkommen.



Zu den großen Herausforderungen der Zukunft gehören für Schwester Denise mehr Hilfen für die Opfer von Landminen und ihren Familien. "Die physischen Reha-Möglichkeiten sind gut. Aber es muss mehr getan werden, um den Betroffenen langfristig ein eigenständiges Leben und Arbeiten zu ermöglichen." Gefordert sei die internationale Gemeinschaft ebenso wie die Gesellschaften der betroffenen Länder. Dabei sieht sie mit Sorge auf ihre Wahlheimat, wo 44.000 Menschen mit Verstümmelungen durch Landminenunfälle leben: "In Kambodscha wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer tiefer, und das soziale Bewusstsein der Reichen ist hier noch im embryonalen Zustand."