Es begann mit einem Revolverschuss. Als der 12-jährige Louis Armstrong in der Silvesternacht mit einer Pistole herumknallte, landete er prompt in einem Erziehungsheim für schwarze Jugendliche in New Orleans. Hier lernte er das Kornett. Auf der Jazz-Welle ritt Armstrong ganz nach oben und prägte diese Musik in ihrer frühen Phase wie kein anderer. Sein brillantes Horn, seine Reibeisenstimme wurden zum Inbegriff. Vor 50 Jahren, am 6. Juli 1971, starb der Musiker in New York City kurz vor seinem 70. Geburtstag.
Katholische Großmutter
Jahrelang hatte sich der kleine Louis mit Gelegenheitsjobs auf den Straßen von New Orleans durchgeschlagen, der Wiege des Jazz, in der er selbst 1901 zur Welt kam. Familiärer Bezugspunkt war seine streng katholische Großmutter. Nach dem Heim wurden es die Musiker in den Vergnügungslokalen und auf den Mississippi-Dampfern flussaufwärts. King Oliver, wichtigster Trompeter des New Orleans Style, war Armstrongs Lehrmeister.
Ihm folgte er 1922 nach Chicago, das neue Epizentrum des Jazz während der Prohibition. Die Millionenstadt mit ihren unzähligen Clubs und Flüsterkneipen wurde zum Schmelztiegel schwarzer und weißer Spitzenmusiker - und die Gangster zahlten gut.
"Hot Five" und "Hot Seven"
Armstrong gründete hier zusammen mit der Pianistin Lil Hardin, der ersten von vier Ehefrauen, die "Hot Five", später erweitert zur "Hot Seven". Die 65 Aufnahmen, die er mit diesen Bands zwischen 1925 und 1928 auf Schellack verewigte, gehören zum Besten, was der klassische Jazz zu bieten hat. Armstrong-Biograf Gary Giddins nannte die Sessions "das einflussreichste Aufnahme-Projekt des Jazz, vielleicht der ganzen amerikanischen Musik". Den "West End Blues" von 1928 wählten die Experten später zur Jazzplatte des Jahrhunderts.
Erst Armstrong befreite die Solo-Improvisation so konsequent aus dem Gruppenspiel des New Orleans und gab ihr den künstlerischen Rang, der künftig guten Jazz ausmachte. Nebenbei war er vom Kornett auf die kraftvollere Trompete umgestiegen. Das Horn schob er ganz nach vorn an den Bühnenrand und blies ein Powerplay aus Synkopen und strahlenden Tönen, das nicht nur für die Vertreter seines Instruments stilbildend wurde.
"Wenn es die Hörer mitreißt, ist es Unterhaltung, wenn nicht, ist es Kunst", sagte er einmal. In Wahrheit war seine Musik beides. Armstrongs euphorisches Solo in "Swing That Music" von 1936, das sich von einem Chorus zum nächsten immer ekstatischer steigert bis zum hohen Dis, ist dafür nur ein Beispiel.
Rassismus in den USA
Zu der Zeit war er nach seinem Durchbruch Anfang der Dreißiger längst ein internationaler Star; Tourneen führten den Musiker mit seinen Orchestern bis nach Europa. Als hätte die Trompete nicht gereicht, geriet das Publikum bei Armstrongs Vokaleinlagen aus dem Häuschen. Die tiefe, raue Stimme und ihr "Scat"-Gesang aus zusammenhanglosen Silben wurden "Satchmos" Marke. Der Spitzname meinte soviel wie "Schulranzen-Mund" und beschrieb annähernd dessen Größe. Nazideutschland blieb dem schwarzen Künstler versperrt, aber selbst hier hatte er Fans, die seine Platten unter dem Ladentisch erstanden.
Dauernden Rassismus erlebte er in seiner eigenen Heimat zur Genüge. Wenn der größte Trompeter der Welt bei seinen Gigs den Dienstboteneingang der Hotels benutzen oder für Hollywood im Leopardenfell spielen musste, war das im Amerika der Swing-Ära showbusiness as usual. Armstrong gehörte zu einer Generation von Schwarzen, die das lange hinnahm. "What did I do to be so black and blue", heißt es in einem seiner Songs. Doch 1957 weigerte er sich wegen der Rassentrennung, im Auftrag des Außenministeriums in die UdSSR zu touren: "So wie sie meine Leute im Süden behandeln, kann die Regierung zur Hölle gehen."
"What a Wonderful World"
Ein musikalisches Kraftwerk blieb "Satchmo" bis zum Ende seines Lebens, und der Mississippi klang irgendwie immer durch. Alle Umbrüche des modernen Jazz von Bebop bis Free, selbst der Rock'n Roll fochten die Popularität des überzeugten Traditionalisten nicht an. Mit eher seichten Songs wie "Hello Dolly" und "What a Wonderful World" erreichte er in den 60er-Jahren immer noch ein weltweites Publikum. Er meinte: "Musiker gehen nicht in Rente, sie hören auf, wenn sie keine Musik mehr in sich haben." Oder der Körper nach einem Musikerleben unter Hochdampf nicht mehr mitspielt. Im heißen New Yorker Juli 1971 starb Louis Armstrong an einem Herzinfarkt.