Präses Rekowski zur Situation im griechischen Flüchtlingslager

"Idomeni darf so nicht bleiben"

Seit vielen Wochen harren mehr als 11.000 Menschen im griechischen Flüchtlingslager Idomeni aus. Bedrückend und beklemmend, so beschreibt Präses Rekowski seine persönlichen Eindrücke von dort. Ein domradio.de-Interview. 

... und tausende Menschen ohne Perspektive / © Marc Patzwald (epd)
... und tausende Menschen ohne Perspektive / © Marc Patzwald ( epd )

domradio.de: Am Wochenende ist die Lage in Idomeni eskaliert. Flüchtlinge wollten die Grenze überqueren, wurden aber von der mazedonischen Polizei gewaltsam abgehalten. Präses Rekowski, Sie haben das Camp in der vergangenen Woche besucht. Wie haben Sie die Zustände in Idomeni erlebt?

Manfred Rekowski (Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland): Das ist kein Lager, das ist keine Organisationseinheit, das ist ein Acker in einem Niemandsland. Das Dorf Idomeni selber hat 70 bis 100 Einwohner und daneben, auf einem Acker, hausen - man muss sagen vegetieren - Menschen in kleinen Zelten. Wenn man durch das Lager geht und in die Zelte schaut, muss man Hornhaut auf der Seele oder kein Herz haben, wenn einen das nicht berührt.

In dem einen Zelt wird ein Säugling gewickelt, in einem anderen Mini-Zelt leben vier bis sechs Personen. Oder man sieht Menschen, die nichts zu erwarten haben und einfach warten, dass die Zeit vergeht. Man sieht Menschen in langen Schlangen stehen, um etwas Essbares zu bekommen. Man hört davon, dass es nicht ansatzweise gelingt, einen Asylantrag zu stellen, weil die Technik und die Infrastruktur nicht funktionieren. Das ist schon sehr bedrückend und sehr beklemmend. Und das Ganze findet ja mitten in Europa statt. 

domradio.de: Hatten Sie denn die Möglichkeit, mit den Flüchtlingen zu sprechen?

Rekowski: Ich sage nochmal ausdrücklich: Das war keine Form des Tourismus, sondern wir sind auf Einladung der griechischen evangelischen Kirche durch das Lager gegangen. Wir sind auch von einzelnen Personen unmittelbar angesprochen worden. Da hat mir zum Beispiel ein Vater in großer Verzweiflung signalisiert: Mein Säugling verträgt die Ernährung hier nicht; in einer Sprache, die ich zunächst nicht verstand, aber mit Gesten, die mir dann auch übersetzt wurden. Von daher bekommt man einen sehr unmittelbaren, direkten Eindruck.

Die Bilder sind schon überaus sprechend. Unsere Begleiter haben aber natürlich noch sehr viel intensiveren Kontakt und sind dort überwiegend als Ehrenamtliche tätig. Sie haben uns natürlich auch manche Hintergründe erzählt und von Einzelschicksalen berichtet, an denen man wirklich merkt: Der Handlungsbedarf ist riesengroß. Idomeni darf so nicht bleiben.

domradio.de: Die protestantische Kirche in Griechenland ist nicht besonders groß. Kann sie den Flüchtlingen trotzdem irgendwie helfen?

Rekowski: Ich habe ja von dem gesprochen, was sehr beklemmend war. Beeindruckend ist aber wirklich, dass Christen, Christinnen und andere Freiwillige mit einer unglaublichen Energie, mit ihren kleinen Möglichkeiten, versuchen, die Situation irgendwie zu verändern. Man muss sich das so verstellen: Niemand sieht die große Lösung schon unmittelbar bevorstehen. Und alle bemühen sich darum, die Lebenssituation wenigstens an einer Stelle zu verändern.

Erst gab es nichts, dann gab es Zelte, dann gab es Planen, auf denen die Zelte stehen. Erst gab es nichts zu essen, dann gab es Sandwiches, inzwischen gibt es eine Suppenküche. Es wird ganz entschlossen und Schritt für Schritt versucht, wenigstens für Einige die Situation zu verändern.

Mittlerweile ist man so weit, dass man sagt: Besonders gefährderte, alleinreisende Frauen und Frauen mit Kindern sollen möglichst aus dem Lager herausgeholt werden. Und dann werden Wohnungen angemietet. Das alles hat mich tief beeindruckt. Auch die Diakonie Katastropehnhilfe ist inzwischen vor Ort und ist sehr erfahren im Umgang mit solchen Situationen. So dass auch die Einzelaktivitäten inzwischen gut koordiniert werden. Der gute Wille und die kleinen Schritte sind erkennbar, aber wir brauchen eine nachhaltige Lösung. Ich wiederhole das nochmal: Idomeni darf nicht so bleiben. 

Das Interview führte Tobias Fricke.


Präses Rekowski (m.) in Idomeni (ekir)
Präses Rekowski (m.) in Idomeni / ( ekir )
Quelle:
DR