Präses Schneider zieht positive Bilanz der rheinischen Landessynode

Die richtigen Fragen stellen

Die Abschluss diesjährigen Landessynode der Evangelische Kirche im Rheinland in Bad Neuenahr hat Nikolaus Schneider positive Bilanz gezogen. Es gehe darum, die Kirche zukunftsfähig zu machen. Im Interview mit domradio.de spricht der rheinische Präses über wichtige Themen des Treffens wie die Kritik an der Atomenergie und die Bitte an katholische Bischöfe in der Abendmahlfrage.

 (DR)

domradio.de: Ohne den heutigen abschließenden Synodentag vorgreifen zu wollen. Die Evangelische Kirche hat ein nicht ganz einfaches Jahr auch mit Missbrauchsvorwürfen gegen Mitarbeiter hinter sich - wie haben Sie das Treffen insgesamt empfunden?

Schneider: Wir haben uns diesem Problem gestellt, ich habe es in meinem Präses-Bericht auch angesprochen, ich habe mich bei den Opfern entschuldigt. Das bedrückt uns doch sehr, dass Menschen, die uns anvertraut sind, Jugendliche, Kinder, denen wir helfen sollten, sich zu entwickeln, freie, fröhliche Menschen zu werden, dass die bei uns Gewalt erfahren haben. Und eben auch sexualisierte Gewalt und Übergriffe, die einfach die Seele ganz schwer beschädigen, und die häufig dazu führen, dass das weitere Leben von diesen Missbrauchserfahrungen geprägt ist. Und das ist schon sehr bedrückend, dass es solch ein massives Versagen von Menschen gegeben hat.



domradio.de: Die Synode hat ganz konkret über Politik gesprochen, so wurde zum Beispiel die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken durch die Bundesregierung kritisiert. Glauben Sie, dass diese Proteste von der Politik gehört werden?

Schneider: Da bin ich sehr sicher, dass die gehört werden. Das merkt man schon an den Reaktionen, die man darauf bekommt. Ich selber habe das in meinem Synoden-Bericht angesprochen. Und das hat dann ein Synodaler aufgenommen und dann noch daraus einen Antrag gemacht, der dann von der Synode auch beschlossen wurde. Wobei man sehen muss: Es geht hier nicht um die Fragen von Kreuz und Auferstehung. Das sind ethische Einschätzungen, wir reden hier nicht über letzte Wahrheiten, sondern wir stellen Fragen. Und diese Fragen heißen: Die Frage der Endlagerung ist immer noch nicht geregelt. Also wie verantwortlich ist es dann, diesen Müll zu produzieren. Zweitens ist es ein Müll, der noch über Millionen Jahre strahlt. Ist da nicht einfach die ethische Verantwortungsmöglichkeit jeden menschlichen Handelns überdehnt? Denn das ist so nicht vergleichbar. Und das Dritte ist: Wir kennen ja auch - Stichwort Bergwerk Asse -, dass Menschen nun mal so sind, wie sie sind. Das heißt sie sind fehlerhaft. Und wenn es eine Konkurrenz gibt zwischen Rendite und Sicherheit, dann verliert sehr häufig die Sicherheit. Und wenn man das alles zusammenzählt, sagen wir: Die Laufzeitverlängerung ist das falsche Signal. Neben allem anderen, was da diskutiert wird: die Monopolstellung der großen vier und die Entwicklung alternativer Energieformen und die Rolle der Stadtwerke und und und. Das ist so die wesentliche ethische Fragestellung, die wir haben, aus der heraus wir dann gesagt haben, dann kann man auch die Verlängerung der Laufzeiten nicht gutheißen.



domradio.de: Die rheinische Landeskirche hat eine kritische Bilanz der ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt gezogen - bis 2010 sollten die Kirchen auf eine Kultur des Friedens in der Welt hinarbeiten sowie auf jede theologische Rechtfertigung von Gewalt verzichten. Warum sind Sie unzufrieden?

Schneider: Hier kann man sagen: Ich bin zufrieden und unzufrieden zugleich. Ich bin nicht zufrieden, weil die Ziele im politischen Zusammenleben nicht erreicht wurden. Es wird so viel gerüstet, wie nie vorher. Wir haben ja unsere gemeinsamen kirchlichen Institutionen, wo wir das ja beobachten, und dann ja wieder veröffentlicht haben, wie sich einfach die Waffenindustrie entwickelt hat. Da werden ja immer neue Rekorde eingefahren. Und es wird unglaublich viel Geld dafür ausgegeben. Und man sieht zum Zweiten: Die Anwendung von Gewalt, auch von militärischer Gewalt, ist nach wie vor ein unterstelltes probates Mittel in politischen Auseinandersetzungen bei ethnischen Konflikten. Und wir merken einfach, das hinterlässt nur Verlierer, aber trotzdem greifen Menschen immer wieder darauf zurück. Da kann man einfach fast verzweifeln und traurig werden. Aber die Dekade war ein Erfolg, weil sie unseren Wunsch und unseren ethische Einstellung neu gefestigt hat. Und hat gesagt: Nein, Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein und sagen, die Anwendung militärischer Gewalt löst die Probleme nicht. Dazu brauchen wir Anderes, da brauchen wir zivilgesellschaftliche Mittel, dazu brauchen wir auch Einsicht, dazu brauchen wir Bildung, dazu brauchen wir soziale Entwicklung und wirtschaftliche Entwicklung. Das sind die wesentlichen Faktoren, die zum Frieden helfen. Das ist uns neu bewusst geworden. Und wir haben gesehen: Unsere Entwicklungsinstitutionen haben ja auch da und dort Erfolge. Es ist ja nicht so, dass dann alles nur nicht funktioniert und schlecht ist.



domradio.de: Zum Auftakt der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland haben Sie das Thema Abendmahlsgemeinschaft zwischen Katholiken und Protestanten wieder auf die Tagesordnung gebracht. Sie haben eine eindringliche Bitte an die Deutsche Bischofskonferenz gerichtet, für konfessionsverschiedene Ehepaare die eucharistische Gemeinschaft zu ermöglichen. Glauben Sie, dass es auf katholischer Seite bald zumindest eine Antwort auf die Frage kommt?

Schneider: Das ist bei mir keine Frage des Glaubens, sondern ich hoffe und bitte. Denn die Menschen, die in konfessionsverbindenden Ehen leben, also eine verschiedene Kirchenzugehörigkeit haben, aber ein und die selbe Familie, haben intimste Gemeinschaft - am Küchentisch und im Schlafzimmer. Da haben wir auch ganz viele Menschen, die sind engagiert in ihren Kirchengemeinden, das sind überzeugte Christinnen und Christen, die leben engste Gemeinschaft, die sind engagiert, sowohl in der römisch-katholischen wie in der evangelischen Kirchengemeinden. Im Zweifelsfall gehen beide in beide Gemeinden und leben dies. Und ihnen dann die Gemeinschaft am Tisch des Herrn zu verweigern, ist etwas, was man nicht nachvollziehen kann. Deshalb habe ich diese Bitte an die Bischofskonferenz noch mal erneuert, um hier weiterzukommen. Und ich habe die Hoffnung, dass diese Bitte auch gehört wird.



domradio.de: Eine Landessynode dient ja vor allem der programmatischen Arbeit, über Finanzdinge wird gesprochen, aber auch Personalfragen werden entschieden. Wie wichtig ist so ein Treffen, für die Zukunftsfähigkeit der  Evangelischen Kirche im Rheinland?

Schneider: Das ist ganz wichtig für unsere Zukunftsfähigkeit. Denn wir müssen auch unsere Strukturen den weiteren Entwicklungen anpassen. Natürlich ist Kirche und der Glaube unabhängig davon, wie viele Pfarrstellen es gibt und ob wir hauptamtliche Mitarbeiter haben. Denn der Herr der Kirche selber sorgt für seine Kirche. Das ist klar. Aber man soll die institutionellen Voraussetzungen nicht unterschätzen. Wir brauchen die Institutionen, um das Evangelium durch die Zeit zu tragen. Und da haben wir Veränderungsbedarf, weil ganz klar absehbar ist, dass wir in Zukunft einem kleiner werdenden Leib die entsprechende Kleidung neu umschneidern müssen. Darauf versuchen wir uns jetzt einzustellen. Wir könnten uns noch eine ganze Zeit lang so durchhangeln, meine Generation, die jetzt Verantwortung trägt. Aber das würde dann bedeuten, dass die, die danach Verantwortung tragen,  ungemein schwierige Aufgaben bekämen. Und das wollen wir nicht. Wir wollen uns jetzt so aufstellen und vorbereiten, dass zukünftige Leitungsgenerationen die Probleme besser lösen können, die sie dann haben werden.



Das Gespräch führte Susanne Becker-Huberti.