Präses Schneider zum Kopenhagener Klimagipfel

"Es ist einfach unsere Sache"

Seit Montag tagt der Klimagipfel von Kopenhagen. Ein erstes Ergebnis steht: Die EU-Regierungen wollen den Entwicklungsländern Milliarden für den Klimaschutz geben. Noch mehr Engagement wünscht sich Nikolaus Schneider. Im domradio-Interview spricht der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland über Kirchenglocken, die am Sonntag im Land als Weckruf für die Staatschefs läuten werden.

 (DR)

domradio: Glockengeläut und Fürbitten: Ketzerisch könnte man fragen, ob das den Gläubigen als letzte Option bleibt, um Entscheidungen einzufordern...
Schneider: Auf der Ebene bewegen wir uns nicht. Sondern wir sprechen wirklich die Sprache, die unsere Sprache ist. Und das ist die Sprache des Gebetes, und das ist die Sprache des Gesanges. In diese schwierigen Verhandlungen, in diese komplexe Lage hinein einen solchen Ton zu bringen, tut uns allen gut. Es ist kein Ausdruck von Verzweiflung, sondern es ist einfach unsere Sache.

domradio: Ihr Aufruf ist eingebettet in eine Aktion vom Ökumenischen Rat der Kirchen. Und der Aufruf, der damit verbunden ist, passt auch besonders gut zur Botschaft in der Adventszeit. Warum?
Schneider: Die Botschaft in der Adventszeit heißt das ja, dass wir auf das Kommen Gottes warten, dass wir erwarten dass er auf dieser Welt für ein Zusammenleben sorgt, dass uns allen gut tut. Und genau dieses Kommen Gottes auf der Welt, nehmen wir auf und machen wir zu unserer Sache.

domradio: Es gibt die Denkschrift " Umkehr zu Leben", in der sich die evangelische Kirche mit dem Klimawandel und seinen Folgen auseinandersetzt. Viele sagen, dass wir uns viel zu spät diesem Thema zuwenden. Haben wir gepennt in den vergangenen Jahren?
Schneider: Gepennt würde ich nicht sagen. Aber wir waren vielleicht hier und dort ein bisschen zu zurückhaltend. Aber schon vor mehr als zehn Jahren, kann ich mich erinnern, hat der damalige Präses Peter Beier die Frage der Bewahrung der Schöpfung sehr eindringlich bearbeitet. Wir sind schon sehr lange dabei. Nur: Wie schrill man auftritt, ist ja häufig eine Frage des Erwägens. Und das tun wir eigentlich nicht so gerne, weil wir Sache angemessen auftreten wollen. Nur die Schrillen werden besser gehört.

domradio: Machen wir ein kleines Gedankenexperiment: Wenn Sie sich direkt an Kanzlerin Merkel oder Präsident Obama richten könnten: Was würden Sie von denen fordern?
Schneider: Wir würden sagen: Seid mutig gegenüber Euren Lobbyisten aus dem Bereich der Industrie. Dabei meinen wir besonders diejenigen, die für die Energieerzeugung stehen und Mobilität, also die Automobilindustrie.

Das Gespräch führte Stephanie gebert. Hören Sie es hier in voller Länge nach.

Hintergrund
Ein Finanzpaket für die ärmeren Länder will der Brüsseler EU-Gipfel an diesem Freitag auf den Weg bringen. Die 27 Staats- und Regierungschefs konnten sich in ersten Beratungen am Donnerstag zwar noch nicht auf die genaue Summe einigen. Mehrere Delegationen zeigten sich nach den Gesprächen jedoch zuversichtlich, dass die EU Hilfen von über zwei Milliarden Euro jährlich für die Jahre 2010 bis 2012 beschließen werde.

Die schwedische EU-Präsidentschaft will mit dem Angebot neuen Schwung in die festgefahrenen UN-Weltklimagespräche in Kopenhagen bringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte eine deutsche Beteiligung zwar zu, ließ aber die genaue Höhe der Unterstützung zunächst offen. Da die Bundesrepublik europäische Initiativen üblicherweise zu einem Fünftel mitfinanziert, könnte sich der deutsche Beitrag auf gut 400 Millionen Euro jährlich belaufen.

Über die Klimaschutzhilfen ab 2020, die ein Vielfaches der Anschubfinanzierung betragen dürften, sprachen die EU-Regierungen nicht im Detail. Sie gelten als einer der Schlüssel für das Zustandekommen eines neuen Weltklimaabkommens. Weitere Themen des zweitägigen Gipfels sind unter anderem die Staatsschulden Griechenlands und das sogenannte Stockholm-Programm. Es legt die Leitlinien für die europäische Innen- und Justizpolitik der nächsten fünf Jahre fest.

Vatikan: Schnelle und wirksame Lösungen gegen Klimawandel
Der Vertreter des Vatikan in Kopenhagen hat eine engere Zusammenarbeit der Regierungen mit Wissenschaftlern gefordert. Nötig seien "schnelle und wirksame Lösungen" im Kampf gegen den Klimawandel, unterstrich der Delegationsleiter Erzbischof Celestino Migliore laut Radio Vatikan am Donnerstag. "Der Niedergang des Ökosystems und die Auswirkungen des Klimawandels stehen uns vor Augen."

Zugleich verlangte der Vatikan-Diplomat eine Kopplung des Umweltschutzes an Entwicklungshilfen für arme Länder. Lösungen für das Klimaproblem müssten "auf den Schienen von Gerechtigkeit und Solidarität laufen". Auch Papst Benedikt XVI. habe betont, dass die Bewahrung der Schöpfung und Entwicklung nicht unabhängig voneinander bestehen könnten, sagte Migliore, der sonst als Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York sitzt.