Predigt Kapitelsamt Kölner Dom

27. Sonntag im Jahreskreis

domradio übertrug am 27. Sonntag im Jahreskreis das Kapitelsamt mit Domkapitular Hans-Josef Rademacher. Das

Vokalensemble Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (Kölner Dommusik)

Das Vokalensemble Kölner Dom sang unter der Leitung von Domkapellmeister Eberhard Metternich. Die Orgel spielte Domorganist Prof. Winfried Bönig.

"Ich kann nicht mehr." Wer hat dieses Gefühl der Hilflosigkeit nicht schon erlebt? Angesichts von persönlichem Leid oder großen Katastrophen kann man durchaus den Mut sinken lassen. Dies ist auch eine Herausforderung für den Glauben, der in solchen Momenten auf den ersten Blick kaum Trost bereithält. Der Dichter Georg Büchner hat Leid einmal als "Fels des Atheismus" bezeichnet, also als stärkstes Argument gegen den Glauben an einen gütigen und allmächtigen Gott. Die Lesungen des heutigen Sonntags schildern Situationen, in denen es um den Glauben geht, auch um die Anfragen an ihn. Gottes Wort will uns Mut und Hoffnung machen; es ist alles andere als eine billige Durchhalteparole. 

Erste Lesung 
Manchmal mag man nur noch zweifeln oder gar verzweifeln - im persönlichen Leben wie auch angesichts der Bedrängnis der ganzen Gemeinschaft. Hier ist es der Prophet Habakuk, der um 600 v. Chr. seine Not vor Gott trägt. Er klagt über "Gewalt und Misshandlung", über "Zwietracht und Streit"; das Gottesvolk scheint der "Macht des Bösen" preisgegeben. In dieser Situation fragt Habakuk: Sieht der Herr unsere Not nicht? Oder gelten seine Zusagen nicht mehr? Letztlich ist dies die immer neue Frage nach dem "Warum" des Leids in der Welt. Im Gebet, in der Begegnung mit Gott, erfährt Habakuk keine abschließende Antwort. Aber Gott erneuert sein Versprechen. ER ist treu und wird alles zum Guten wenden; darauf kann - und soll - der Mensch vertrauen. 

Zweite Lesung 

Wir wissen nicht, welcher Bedrängnis genau sich Timotheus zu erwehren hatte. Es heißt, er sei nahe daran, sich seines Glaubens zu "schämen". Man ist erinnert an das Pauluswort, wonach das Bekenntnis zum Gekreuzigten "für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit" ist (1 Kor 1, 18-23). Diesen Glauben zu verkündigen war damals schwierig, teilweise gefährlich; auch heute begegnen weite Teile der Bevölkerung dem christlichen Glaubensbekenntnis uninteressiert, verständnislos, vielleicht sogar ablehnend. Da kann die Versuchung groß werden, sich zurückzuziehen. Die Aufgabe scheint zu schwer, als dass man sie bestehen könnte. Doch der Verfasser des Briefes, der im Namen des Paulus spricht, macht Timotheus Mut. Er erinnert daran: Wir müssen nicht allein auf unsere eigene, begrenzte Kraft bauen. Denn wir haben den Geist Gottes empfangen, und das ist "nicht ein Geist der Verzagtheit". Diese Zusage gilt in besonderer Weise denen, die in der Gemeinde Verantwortung tragen wie Timotheus. 

Evangelium 
Die heutige Stelle aus dem Lukas-Evangelium kann leicht negativ gelesen werden. Wenn selbst die Jünger einen schwachen Glauben haben, was sollen dann erst wir sagen? Und überhaupt: Ist das Wort Jesu nicht eine brutale und unfaire Entwertung der "guten Werke", die aus dem Glauben erfolgen? Statt einer solchen negativen Deutung kann der Blick aber auch in die andere Richtung gehen. Jesus verweist auf das Senfkorn als kleinstes Korn. Er will sagen: Wir müssen gar nicht "perfekt" im Glauben sein, sondern es geht um die Entschiedenheit und um die Bereitschaft zu wachsen. Dann kann auch ein noch so anfanghafter, "kleiner" Glaube dem Leben Halt geben. Und die "guten Werke"? Natürlich steckt in dem Wort Jesu eine Mahnung zur Demut beziehungsweise die Warnung davor, sich den Himmel "verdienen" zu wollen. Aber kann es nicht auch eine Ermutigung sein? Das Entscheidende im Glauben kommt von Gott. Ich kann es nicht selbst leisten - und muss es auch nicht.
 

Quelle:
DR