Vor dem Mainzer Dom ließen am Montagmittag Frauen singend die "Sonne der Gerechtigkeit" aufgehen. Im wenige Schritte entfernten Tagungszentrum Erbacher Hof war kurz darauf die Stimmung eher nach Abenddämmerung. Zum wohl letzten Mal trat der Münchner Kardinal Reinhard Marx zu Beginn einer Bischofsvollversammlung als Vorsitzender der Bischofskonferenz vor die Presse.
Kurz vor dem Treffen in Mainz hatte der 66-Jährige angekündigt, aus Altersgründen nicht mehr für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Am Dienstag wählen die Bischöfe einen Nachfolger - und viele Medien wollen sich dieses Ereignis offenbar nicht entgehen lassen.
"Genügend offene Baustellen"
Vor Marx hatte sich eine Wand aus Kameras aufgebaut; der Raum war gesteckt voll. Der Erzbischof von München und Freising ließ sich gleichwohl nicht aus der Routine locken - auch nicht, als er gefragt wurde, was er denn jetzt mit der gewonnenen Zeit zu tun gedenke. Nur so viel: Er werde sich weiter einbringen in bewegten Zeiten. Und: Die vergangenen sechs Jahre als Vorsitzender der Bischofskonferenz seien spannend und anstrengend gewesen. Aber auch für seinen Nachfolger gibt es noch "genügend offene Baustellen".
Welche das sind, das zeigten beispielsweise rund 100 Frauen der beiden großen katholischen Frauenverbände KDFB und kfd, die sich bei vorfrühlingshaften Temperaturen auf dem Marktplatz versammelt hatten und Transparente hochhielten. Sie überreichten Marx, seinem Stellvertreter, Bischof Franz-Josef Bode, sowie dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, und dessen Stellvertreterin Karin Kortmann eine symbolische Unterschriftenliste. Darin sprechen sich mehr als 130.000 Frauen und Männer für eine geschlechtergerechte Kirche aus.
Wie Frauen an Führungsämtern beteiligt werden können, ist eine der zentralen Fragen des von den Bischöfen und dem ZdK gestarteten Synodalen Wegs. Wie die Frauenverbände setzen auch Reformgruppen wie "Wir sind Kirche" darauf große Hoffnungen und wünschen sich - das war unmittelbar vor Beginn der Vollversammlung der Bischöfe spürbar - als Nachfolger von Marx einen Konferenz-Vorsitzenden, der den Synodalen Weg weiter voranbringt.
Entschädigungszahlungen
Marx und Sternberg wollten nach der Begegnung mit den Frauen gerade den Marktplatz verlassen, da wurden sie von Vertretern des Eckigen Tischs aufgehalten, eines Zusammenschlusses von Betroffenen des Missbrauchs durch Geistliche. Die Bischöfe sollten endlich zu konkreten Resultaten bei der Frage nach der künftigen Entschädigung von Missbrauchsopfern zu kommen, forderte Sprecher Matthias Katsch.
Er hatte zuvor angekündigt, bei dem Thema "hartnäckig" am Ball bleiben zu wollen. Katsch, der aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, schloss dabei auch nicht aus, dass es bald zu Störungen durch Betroffene in Gottesdiensten kommen könne.
Die Bischöfe wissen, dass die Frage des künftigen Umgangs mit Missbrauchsopfern mit darüber entscheiden wird, wie die Kirche in der Gesellschaft wahrgenommen wird. Er hoffe, so Marx, dass man sich in Mainz auf Eckpunkte verständigen könne.
Noch einmal zeigte er sich darüber hinaus bei der Pressekonferenz als Mahner und kritischer Begleiter von Politik und Zeitgeschehen. Europa dürfe nicht tatenlos zusehen, was in Syrien geschehe und was mit den Flüchtlingen passiere, die nun an der Grenze zu Griechenland im Ungewissen verharrten, so der Kardinal. Auch die Kirche müsse nach ihren Möglichkeiten den Menschen in Not helfen.
Und bevor er anfing, über kircheninterne Fragen zu reden, war es Marx wichtig, auf aktuelle Ereignisse wie die jüngsten Anschläge in Hanau einzugehen: Jede Form rechter Gewalt sei entschieden zu verurteilen.
Dass wieder Gewalttaten im Zeichen von völkischem Hass verübt würden, "beunruhigt sehr", so der Kardinal: "Als Kirche wollen wir aufstehen gegen jede Rede von Hass."