Presseschau zum Thema große Koalition

Gesundheitsreform stellt Koalition auf Probe

Der in der großen Koalition weiter herrschende Streit über die Führungsstärke von Bundeskanzlerin Merkel ist das Top-Thema der heutigen Blätter. Vor dem Hintergrund des Gesundheitskompromisses ziehen Beobachtern zufolge immer mehr SPD-Politiker die Führungsfähigkeit der Kanzlerin in Zweifel.

 (DR)

Der in der großen Koalition weiter herrschende Streit über die Führungsstärke von Bundeskanzlerin Merkel ist das Top-Thema der heutigen Blätter. Vor dem Hintergrund des Gesundheitskompromisses ziehen Beobachtern zufolge immer mehr SPD-Politiker die Führungsfähigkeit der Kanzlerin in Zweifel. Auffallend ist dabei, dass diese Thematik durchgehend von den überregionalen als auch von den regionalen Zeitungen thematisiert wird.

Bruch schon 2007 oder 2008, jedenfalls nicht 2009 (FAZ)
Die große Koalition funktioniert als Selbstbedienungsladen für regierungstaktische Interessen - wie im Falle der Föderalismusreform - einigermaßen. Wo jedoch die jeweilige Akzentsetzung Wählerschichten entweder der Union oder der SPD zuzutreiben "droht", wird die große Koalition auch in Zukunft jeweils in den Abgrund blicken. So aber kann man nicht auf Dauer miteinander regieren - unabhängig davon, ob man sich "Wortbruch" und Schlimmeres vorwirft oder ob das Mißtrauen nur stumm gärt. Wüßte die Kanzlerin, wüßten CDU, CSU und SPD, womit sie jeweils in den nächsten Wahlkampf ziehen sollten, käme der Bruch schon 2007 oder 2008, jedenfalls nicht erst 2009.

Was will Bundeskanzlerin Merkel? (Süddeutsche Zeitung)
Schneller als erwartet ist auch die Morgenröte für Angela Merkel vorbei. Was waren der neuen Kanzlerin nicht alles für Hymnen gesungen worden für ihren kooperativen Führungsstil, der so ganz anders sei als bei dem zuweilen rüpelhaften Alpha-Tier Gerhard Schröder. Jetzt tritt wieder offen zutage, was Merkels Kritiker schon oft moniert haben: Keiner weiß, was diese Frau wirklich will und für welche Politik sie steht. Angela Merkel ist so eine Art Sabine Christiansen der Politik.

Widersprüche (General-Anzeiger Bonn)
Das jüngste Beispiel, die Gesundheitsreform, beherrscht die aktuelle Debatte. Zu zaghaft, zu widersprüchlich, zu belastend lautet das allgemeine Urteil. Selten ist eine Reform im Urteil von Fachleuten und Bürgern so schnell so schlecht weggekommen. Aber es ist beileibe nicht nur dieses Beispiel. Die Widersprüche in der Steuerpolitik, die Halbherzigkeiten in der Föderalismusreform etwa kommen hinzu. Die große Koalition darf dem Bürger große Reformen zumuten. Ihn überwiegend zu belasten, ohne dass es der Fortschritt in der Sache lohnt, ist nicht ihre Aufgabe.

Asymmetrische Bedrohungslage (Westdeutsche Allgemeine Zeitung)
In der Koalition hat sich eine asymmetrische Bedrohungslage entwickelt, zwischen den Landesfürsten der Union und der widerwilligen SPD-Fraktion. Während die führenden Sozialdemokraten ihre Leute mit unterschiedlichen Mitteln bislang noch immer eingefangen haben, hat Merkel sich bei der Gesundheitsreform, an der sie sich nach eigener Ankündigung messen lassen wollte, der Macht der Ministerpräsidenten gebeugt, was die Frage aufwirft: Wer regiert eigentlich? Das Kunststück, Probleme beim Wandern auszusitzen, hat Merkel auf ihrem Weg ins Kanzleramt bereits vorgeführt. Sie scheint eine Wiederholung zu planen, muss aber fürchten, dem ewigen Geheimkanzler Stoiber den wahren Durchbruch dieser Gesundheitsreform ermöglicht zu haben. Seine Wiederkehr in die Bundespolitik hat er eindrücklich demonstriert.

Schlechter Stil (Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung)
Es ist schlechter Stil, wenn die SPD die Kanzlerin als führungsschwach darstellt. Merkel wird dadurch nicht stärker. Wenn die Einigung so unerträglich war, hätte SPD-Chef Kurt Beck nicht einschlagen dürfen. Die SPD führt die eigene Propaganda ad absurdum. Erst mal hatte die SPD behauptet, sie hätte sich mit acht zu zwei durchgesetzt. Eigentlich müsste ihre Freude etwas größer sein ... Es gibt zwei Erklärungen, die beide für Merkel nicht gerade schmeichelhaft sind. Die erste ist, dass sie die Länderchefs nicht richtig einbindet. Das wäre ein Fehler. Die zweite ist, dass sie sich nicht durchsetzen kann. Das wäre eine Schwäche; und Respektlosigkeit wäre die Folge. So selbstzerstörerisch kann es nicht weiter gehen. Die mageren Zeiten kommen ja erst, wenn im nächsten Jahr unpopuläre Beschlüsse in Kraft treten. Dann müssen die Partner zusammenstehen.

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung