domradio.de: Es klingt so, als wäre die schleswig-holsteinische AfD besorgt, weil sich 30 Flüchtlinge zum christlichen Glauben bekennen. Was denken Sie über die Taufen?
Pröpstin Frauke Eiben (Propstei Lauenburg): Keine dieser Taufen ist plötzlich geschehen. Wenn man zum Beispiel auf die Kirchengemeinde Lauenburg schaut: sie zeichnet sich etwa dadurch aus, dass an einem ganz normalen Gemeindesonntag relativ viele Flüchtlinge aus den benachbarten Aufnahmeeinrichtungen in Horst dort den gemeindlichen Gottesdienst besuchen und kennenlernen. Das habe ich selber erlebt. Das sind in der Regel 30 bis 40 Menschen, Familien, einzelne Menschen, die über Monate dort in den Gottesdienst kommen und Teil des Gemeindelebens sind.
domradio.de: Wie fühlt sich eine solche AfD-Anfrage für Sie an?
Eiben: Sie schürt, wie das manchmal bei der AfD ist, Ängste und Gerüchte. Und ich spüre wenig Interesse sich mal darüber genau zu informieren, wie denn so ein Weg überhaupt funktioniert. Es sieht so aus als käme jemand, klingelt beim Pastor an der Tür und sagt, „Hallo, ich möchte getauft werden“ und dann wird dem nachgegangen. So ist es ja überhaupt nicht.
domradio.de: So etwas wie eine Glaubensprüfung gibt es aber nicht?
Eiben: Nein, das gibt es nicht. Aber es gibt tatsächlich einen Weg, wie wir zu einer Taufe kommen. Das gilt für Geflüchtete und auch für jeden anderen erwachsenen Menschen. Das heißt, dass es vor einer Taufe eine wirklich gründliche Unterweisung gibt. Ein Taufunterricht, ein gegenseitiges Kennenlernen. Unsere EKD hat dazu einen Leitfaden entwickelt, weil es natürlich nicht nur in Lauenburg vorkommt, dass Menschen eine Heimat in einer Kirchengemeinde suchen. Anhand dieses Leitfadens können sich Pastorinnen und Pastoren wirklich orientieren, welcher Weg da zu gehen ist, und das ist kein kurzer Weg.
domradio.de: Sie sagen, sonntags sind in den Kirchenbänken viele Migranten anzutreffen. Welche Bedeutung hat der Glaube und die Gemeinde denn für geflüchtete Menschen?
Eiben: Ich glaube, das ist unterschiedlich. Das eine ist, dass der Besuch eines Gottesdienstes im Alltag einer Erstaufnahme schon etwas Besonderes ist. Außerdem wird ein Kirchraum durchaus auch als ein Schutzraum empfunden, als ein Ort, wo man zur Ruhe kommen kann. Das Thema Gemeinschaft ist auch ausschlaggebend. Dort trifft man auf Menschen, die sich interessieren, die nachfragen, wie ist dein Alltag, vielleicht sogar bei einer Tasse Kaffee im Anschluss an den Gottesdienst. Das sind sozusagen die niedrigschwelligen Momente, die glaube ich Geflüchteten viel bedeuten, wenn sie in einer wirklichen Krisensituation dort in Erstaufnahmeunterkünften sind. Dann entwickelt es sich sehr häufig, dass aus diesem Kontakt ein Fragenstellen entsteht, Fragen über den Glauben.
Viele haben in ihrer Heimat auch schon davon gehört. Es ist ja nicht so, dass es keine Christen anderswo gäbe. Und wenn man nachfragt, was sind die Inhalte, die Menschen wirklich interessieren, die auch aus anderen Glaubensrichtungen ankommen, dann ist es tatsächlich so etwas wie die Freiheit, das Thema Würde, dass jeder Mensch, gleich ob Mann oder Frau, mit gleichem Wert und Würde vor Gott angesehen wird. Das spielt im Christentum eine große Rolle. Ebenso das Thema Gnade. Diese Elemente werden als Freiheit empfunden und tun auch gut in einer Situation, die oft von schwierigen Wegen gekennzeichnet ist.
Das Interview führte Verena Tröster.