Professor für Klimafolgenforschung mit Bilanz zur Klimakonferenz

"Es geht um die Bewahrung der Schöpfung"

Als Diplomat war die Klimakonferenz ein Erfolg, als Ökonom sehr schleppend - so Otmar Edenhofer, stellvertretender Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Wer davon am stärksten betroffen ist, erläutert er im domradio.de-Interview.

Die Weltklimakonferenz in Bonn ist beendet / © Oliver Berg (dpa)
Die Weltklimakonferenz in Bonn ist beendet / © Oliver Berg ( dpa )

domradio.de: Wie sieht ihre Bilanz des Klimagipfels aus?

Otmar Edenhofer (Professor an der TU Berlin und stv. Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung): Wenn man mit der Elle des Klimadiplomaten misst, war die Konferenz ein Erfolg. Das Regelbuch, das sich die Diplomaten vorgenommen haben, ist zumindest erstellt. Es gibt eine weitere positive Nachricht: Durch die Präsidentschaft von Fidschi soll nun in den nächsten Jahren ein Dialog fortgesetzt werden mit dem Ziel, dass die einzelnen Staaten ihre Anstrengungen erhöhen. Es gibt Zusagen für die Finanzierung bei der Anpassung für die Entwicklungsländer. Das sind alles Dinge, die auf die Habenseite des Kontos geschrieben werden können.

Wenn man allerdings mit der Elle des Klimaökonomen misst, sind die Ergebnisse natürlich mitnichten ausreichend und man spürt bei dieser Konferenz, dass uns die Zeit davonläuft. 2017 sind die weltweiten Emissionen wieder gestiegen um  zwei Prozent. Das wurde von manchen Beobachtern als Überraschung wahrgenommen, das konnte bei Licht betrachtet aber keine Überraschung sein, wenn man weiß, dass viele Länder nach wie vor massiv auf Kohle setzen. China und Indien haben zwar den Ausbau der Kohlekraft ein bisschen zurückgefahren, aber das heißt nicht, dass sie aus der Kohle aussteigen. In Ägypten und in der Türkei werden die Investitionen in die Kohlekraftwerke massiv erhöht werden und wir werden auch 2017 sehen, dass die Kohlenutzung wieder dramatisch zunimmt.

domradio.de: Bei der Klimakonferenz hat sich auch eine "Allianz gegen die Kohle" gebildet, denn nachweislich ist die Stromerzeugung aus Kohle der größte Klimakiller. Deutschland ist nicht dabei. Natürlich wissen wir alle, dass das den Sondierungsgesprächen in Berlin in die Parade fahren würde. Ist es nicht trotzdem ziemlich scheinheilig von der Kanzlerin? Hätte Sie nicht das Kleinklein des Parteiengeschachers beiseite lassen und zumindest den Willen zum Ausstieg bekunden sollen?

Edenhofer: Das muss die Kanzlerin entscheiden, ob sie jetzt während der Jamaika-Verhandlungen ihren Partnern da in die Parade fahren kann.

Aber eines muss ja klar sein: Wir müssen den Einstieg in den Kohleausstieg jetzt schaffen. Das müssen wir vor allem nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes tun. Wir müssen das auch aufgrund von Innovations-Ansprüchen tun. Wir wollen im großen Maßstab in Elektromobilität investieren. Elektromobilität macht nur dann Sinn, wenn vorher der Strom-Sektor CO2-frei geworden ist. Es gibt viele Gründe den Stromsektor zu dekarbonisieren (Anm. der Red.: Handlungen bei denen kein Kohlenstoffdioxid (CO2) mehr freigesetzt werden soll) - wie man so schön sagt und da kann kein Weg dran vorbeiführen.

domradio.de: Und wie kann das genau gelingen?

Edenhofer: Um das europäisch abzusichern, brauchen wir auch eine weitreichende Reform des europäischen Emissionshandels. Was sehr wichtig ist, wenn wir die Emissionen über alle Sektoren hinweg effizient vermindern wollen, dann brauchen wir auch eine große Energie-Steuerreform. Denn bei uns in Deutschland wird Strom und Gas überproportional besteuert. Braunkohle, der schmutzigste Energieträger, wird dagegen kaum besteuert.

Das macht alles wenig Sinn. Und vor diesem Hintergrund muss man also ein Reform-Paket schnüren, das tatsächlich tauglich und nachhaltig ist für die gesamte nächste Legislaturperiode. Man darf sich nicht wieder mit symbolischen Ankündigungen begnügen.

domradio.de: Die ärmsten Länder sind von den Folgen des Klimawandels betroffen, obwohl sie ihn nicht verursacht haben. Für dieses wichtige Thema soll es künftig einen Fond geben, in den die Bundesregierung 107 Millionen Euro einzahlen möchte. Was halten Sie von der Summe?

Edenhofer: Das ist ein gutes Zeichen, aber die Finanzierung ist natürlich nicht ausreichend. Wir brauchen nicht nur das Geld, um die Entwicklungsländer bei der Anpassung an den unvermeidbaren Klimawandel zu unterstützen. Wir brauchen auch zusätzliche Mittel, um den Ländern bei der Umstellung der Energiesysteme zu helfen. Ebenso müssen wir dafür sorgen, das Schwellenländer die Möglichkeit haben ihre Subventionen für die fossilen Energieträger auszugeben.

Was man nicht vergessen darf, dass pro Jahr und im weltweiten Schnitt eine Tonne CO2 mit 150 US-Dollar subventioniert wird. Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass wir nicht vorankommen. Es kann nur gelingen, wenn wir die Schwellenländer in einer solchen Politik unterstützen. Daran fehlt es im Augenblick noch.

domradio.de: Sie sind ehemaliger Jesuit - ist für Sie der Klimaschutz auch eine Frage der Verantwortung gegenüber der Schöpfung?

Edenhofer: Ja, natürlich ist das eine Frage der Verantwortung. Wenn Physiker sich manchmal in Fantasien ergehen, dass wir die Erde verlassen müssen, würde ich sagen, dass wir erst einmal versuchen sollten, unser Haus hier in Ordnung zu bringen. Den Planeten zu zerstören, weil wir leichtsinnig sind und weil wir es versäumen, eine Wirtschaft aufzubauen, die wirklich allen dient, das kann nicht der Grund sein, die Flinte ins Korn zu werfen. Natürlich ist das auch eine Verantwortung und da geht es auch um die Bewahrung der Schöpfung. Da kann es keine Frage geben.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Stellvertretender Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung / © Rainer Jensen (dpa)
Stellvertretender Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung / © Rainer Jensen ( dpa )
Quelle:
DR