Vor 175 Jahren wurde der Gründer der Mormonen ermordet

Prophet oder Scharlatan?

Die Mormonen verehren ihn als Propheten. Für andere war Joseph Smith ein Scharlatan. Sein gewaltsamer Tod vor 175 Jahren verdichtet die Kontroverse, die seither mit dem Kirchengründer in Verbindung steht.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Ein Missionar hält das "Buch Mormon" in den Händen. / ©  Harald Oppitz (KNA)
Ein Missionar hält das "Buch Mormon" in den Händen. / © Harald Oppitz ( KNA )

Joseph Smith und sein Bruder Hyrum warteten in einem Gefängnis von Carthage im US-Bundesstaat Illinois auf ihren Prozess. Es ging um die Zerstörung der Druckanlagen des "Nauvoo Expositor".

Das Blatt aus der gleichnamigen Stadt, der Smith als Bürgermeister vorstand, war diesem wegen seiner kritischen Haltung zu den Mormonen ein Dorn im Auge. Insbesondere störten Smith Berichte über die von ihm praktizierte Vielehe.

Im Konflikt mit dem Gesetz

Die erste Ausgabe des "Nauvoo Expositor" sollte daher auch die letzte sein. Smith ordnete das Ende der Zeitung an und verhängte das Kriegsrecht. Das brachte den Führer der jungen Sekte mit dem Gesetz von Illinois in Konflikt. Unter anderem ging es um Hochverrat.

Zu dem Prozess aber kam es nicht, weil ein aufgebrachter Mob am 27. Juni 1844, vor 175 Jahren, Selbstjustiz übte. Rund 200 Männer stürmten das Gefängnis, schossen Smiths Bruder ins Gesicht. Der "Prophet" flüchtete zunächst. Doch seine Verfolger stellten ihn im oberen Geschoss des Gebäudes. Eine zeitgenössische Darstellung zeigt, wie er sterbend aus dem Fenster nach unten fiel. Weil die Geschworenen den Verdächtigen angeblich nichts nachweisen konnten, kamen die Täter ungestraft davon. Dabei lagen die Motive auf der Hand: Hass auf die neue Religionsgemeinschaft, die nicht nur in Illinois einen schweren Stand hatte.

In göttlichen Offenbarung zu dem verlorenen "Buch Mormon" geführt

Für die Mormonen ist Smith seit seinem gewaltsamen Tod ein Märtyrer. Die anderen erkennen das Unrecht, das der Gemeinschaft widerfahren war, bleiben aber kritisch gegenüber dem "Propheten", der behauptet, 1830 in einer Blockhütte im Bundesstaat New York die wahre Kirche Jesu Christi wiederbelebt zu haben.

Der Gründungsmythos, den die Missionare der 16 Millionen Mitglieder starken Gemeinschaft heute in 188 Sprachen rund um den Erdball verbreiten, besagt, dass der 17-jährige Smith in einer göttlichen Offenbarung zu dem verlorenen "Buch Mormon" geführt wurde. Dabei habe es sich um goldene Platten gehandelt, aufgezeichnet von den Propheten Mormon und Moroni, die unter anderem von einem Erscheinen Jesu bei den amerikanischen Ureinwohnern vor seiner Himmelfahrt berichten. Dort habe Jesus gepredigt und seine Kirche aufgerichtet.

Vieles bleibt mysteriös

Wie Smith, der vermutlich kaum lesen konnte, die angeblich in "reformiertem Ägyptisch" verfassten Texte entschlüsseln konnte, bleibt genauso mysteriös wie der spätere Verbleib der Platten. Wie ein Wunder erscheint auch das rasche Wachstum dieser genuin amerikanischen Religionsgemeinschaft, deren Zugehörigkeit zum Christentum umstritten bleibt.

Der amtierende Präsident der "Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage" (LDS), Russell Nelson, sagt, ihm sei von Gott offenbart worden, wie wichtig es sei, die direkte Nachfolge Jesu Christi zu betonen und den Begriff "Mormonen" nicht mehr zu gebrauchen.

Kurzerhand verfügte der 94 Jahre alte "Prophet", künftig nur noch den offiziellen Namen "The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints" zu verwenden, den Jesus selbst im Jahr 1838 Joseph Smith offenbart habe.

Vielehe mit bis zu 40 Frauen

Mit dieser Verfügung einher gehen ein paar Eingeständnisse, die darauf abzielen, das Narrativ der Religionsgemeinschaft selbst zu kontrollieren. Unter anderem sprechen die Mormonen-Führer nun offen darüber, dass Smith die Vielehe mit bis zu 40 Frauen praktizierte, darunter mehrere Minderjährige. Eingeräumt wird heute auch der offen praktizierte Rassismus Brigham Youngs, des Nachfolgers und zweiten Propheten der LDS-Gemeinschaft, der 1852 erließ, dass Schwarze nicht zu Priestern geweiht werden dürften.

Papst Franziskus traf im März mit dem 17. Propheten der "Church of Jesus Christ of Latter-day Saints" im Vatikan zusammen. Während die theologischen Differenzen fortbestehen, gibt es im sozialen Bereich Felder, auf denen die katholische Kirche mit den Mormonen kooperiert.

Nelson erklärte nach dem Treffen, die Katholiken dürften froh sein, so einen liebevollen und fähigen Führer zu haben: "Was für in lieblicher und wunderbarer Mann er ist."


Quelle:
KNA