Der Prozess gegen den Hongkonger Kardinal Joseph Zen Ze-kiun (90) und fünf weitere Demokratieaktivisten wird am Mittwoch fortgesetzt. Das Amtsgericht West Kowloon hatte das Verfahren Ende September nach nur zwei Verhandlungstagen überraschend vertagt. Den Angeklagten wird vorgeworfen, eine humanitäre Stiftung nicht ordnungsgemäß registriert zu haben, worauf je 1.300 US-Dollar Geldstrafe drohten. Der "Fonds 612" bot Menschen, die bei den Demokratieprotesten 2019 verhaftet wurden, finanzielle, rechtliche und psychologische Hilfe.
Zudem sollen sie laut Anklage einen Teil der rund 34 Millionen gespendeten US-Dollar für "politische Aktivitäten statt für wohltätige Veranstaltungen" verwendet haben. Neben Zen sind die Rechtsanwältin Margaret Ng, die Akademikerin Hui Po-keung, das ehemalige Legislativratsmitglied Cyd Ho, der Kulturwissenschaftler Hui Po-Keung, der Aktivist Sze-Ching-Wee Ho und die Popsängerin Denise Ho angeklagt. Sie hätten den Fonds innerhalb eines Monats registrieren müssen, erklärte die Staatsanwaltschaft in dem am 26. September begonnenen Verfahren. Den Antrag der Verteidiger, Zeugen der Anklage ins Kreuzverhör zu nehmen, habe das Gericht zurückgewiesen.
Anklage wegen "Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften"
Darüber hinaus läuft derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen "Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften" gegen die Angeklagten. Für diesen Straftatbestand im Sinne des chinesischen Sicherheitsgesetzes drohen Haftstrafen zwischen drei Jahren und lebenslänglich.
Politische Beobachter in Hongkong sehen als Grund für die Vertagung des laufenden Prozesses den Kongress der Kommunistischen Partei, der am Wochenende zu Ende ging. Peking sei zwar an einer Verurteilung des chinakritischen Zen interessiert, habe aber vor der Veranstaltung Kontroversen vermeiden wollen.
Prominente Regimekritiker
Zen zählt zu den prägenden Kirchenvertretern Asiens. Über seine Amtszeit als Bischof von Hongkong (2002-2009) hinaus gehört der Ordensmann der Salesianer Don Boscos zu den prominenten Kritikern der Regierung in Peking und ihrer Religionspolitik, zuletzt zunehmend auch des Vatikan und seiner China-Politik. Insbesondere bemängelt er das 2018 geschlossene geheime Vatikan-China-Abkommen über gegenseitige Anerkennung von Bischofsernennungen, dessen Fortsetzung am Samstag mitgeteilt wurde.
Zens Anwalt Robert Pang zeigte sich laut "China Heute" zuversichtlich, dass die Staatsanwaltschaft keine Beweise für einen Verstoß bei der Verwaltung des Fonds habe. Staatsanwalt Anthony Chao Tin-hang wolle 17 Zeugen befragen und acht Stunden Videoaufnahmen zu Fonds-Aktivitäten vorführen.
Kritik am Verhalten des Vatikans
Zens Verhaftung am 11. Mai hatte weltweit Empörung ausgelöst. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin zeigte sich beunruhigt. Das EU-Parlament verurteilte im Juli Zens Verhaftung und forderte die Einstellung des Verfahrens. Der Vatikan solle "seinen Druck auf die chinesischen Staatsorgane" verstärken". Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller kritisierte den Vatikan für sein Schweigen zur Causa Zen.
Kardinal Fernando Filoni, von 2011 bis 2019 Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, beschrieb Zen in einem im September veröffentlichten Brief als glaubwürdigen, charakterstarken und respektvollen "Mann Gottes" voll Liebe zu Freiheit und Gerechtigkeit. "Kardinal Zen sollte nicht verurteilt werden." Hongkong, China und die Kirche hätten in ihm einen "hingebungsvollen Sohn", schrieb Filoni. "Dies ist ein Zeugnis für die Wahrheit."