Im Prozess um das Attentat von Halle hat ein Rabbi, der während des Anschlags in der Synagoge war, das Verhalten der Polizei kritisiert. "Wir wurden eher wie Verdächtige behandelt denn als Opfer", sagte der 33 Jahre alte Geistliche am Dienstag vor Gericht in Magdeburg. Ein Bus, der die Besucher der Synagoge nach dem Anschlag wegbringen sollte, habe unverdeckt im Blickfeld von Reportern und Fotografen gestanden. Als Seelsorgerin sei eine katholische Nonne gekommen. Auch das sei für viele Gemeindemitglieder schwierig gewesen. "In schwierigen Zeiten möchten Juden gern unter anderen Juden sein."
Der Geistliche betonte, dass er der Polizei weder schlechte Absichten unterstelle noch für irgendetwas die Schuld gebe. Er hoffe nur, dass sie sich künftig besser auf religiöse Bräuche von Juden einstelle. Eine komplett andere Erfahrung habe er im Krankenhaus gemacht. "Dort hat man uns mit Liebe, mit Wärme empfangen." Jeder habe tiefe Menschlichkeit gezeigt und Hilfe angeboten. Dafür sei er noch immer dankbar. Dies habe sich auch gezeigt, als ihn zwei Polizisten aus einem Gebet holen wollten, um ihn zu befragen. Das Krankenhaus-Personal habe das verhindert.
Vor dem Oberlandesgericht Naumburg läuft seit dem 21. Juli der Prozess gegen den Angeklagten Stephan Balliet. Die Verhandlung findet aus Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt. Der 28-Jährige hat gestanden, am 9. Oktober 2019 schwer bewaffnet versucht zu haben, in der Synagoge von Halle ein Massaker anzurichten. Dort feierten 52 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Nachdem er nicht in die Synagoge gelangt war, erschoss der Mann eine 40 Jahre alte Passantin und später einen 20-Jährigen in einem Dönerimbiss.
(Quelle: dpa, 01.09.2020)