domradio.de: Heute vor vier Jahren sprach Franziskus in seiner ersten Begrüßungsrede nach seiner Ernennung zum Papst sein berühmtes "Buona sera". Das schlichte "Guten Abend" des Papstes in seiner ersten Begrüßungsrede ist zum Symbol geworden. Ist das auch so geblieben?
Pater Bernd Hagenkord (Redaktionsleiter von Radio Vatikan): Auf jeden Fall. Es zeigt seinen Stil, seine Direktheit und das Ablegen von Formen, die eine Majestät vorgaukeln. Er möchte nah bei den Menschen sein, und er sagt das "Buona sera", weil es Distanzen abbaut.
domradio.de: Papst Franziskus ist Jesuit. Allerdings hat er sich mit seinem Namen in die Nachfolge von Franz von Assisi gestellt. Ist er dem immer treu geblieben?
Pater Hagenkord: Ja, ich glaube schon. Er hat seiner eigenen inneren Einstellung Ausdruck verliehen und sich nicht einfach in eine Tradition gestellt. Franz von Assisi ist jemand, der nicht ohne Ecken und Kanten ist, aber für eine geistliche Erneuerung steht. Dafür steht Franziskus auch. Insgesamt ist er dem sehr treu geblieben und in dieser Richtung ist noch einiges zu erwarten.
domradio.de: Bei einem Thema ist sich die katholische Kirche oft sehr uneinig: das Thema Homosexualität. In der kirchlichen Lehre gelten homosexuelle Handlungen eindeutig als nicht in Ordnung. Dagegen ist Papst Franziskus gegenüber Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen sehr offen eingestellt. Wie kommt das an?
Pater Hagenkord: Man kann sehr gut sehen, wie er versucht die Knoten zu lösen, die es in der Kirche gibt. Wir sind nicht sprachfähig, wenn es um Homosexualität geht. Papst Franziskus hingegen versucht, mit den Menschen zu reden und die Menschen teilhaben zu lassen und nicht zu urteilen, was erlaubt und was verboten ist, sondern mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Das ist der einzige Weg vorwärts, wenn ich versuche den Druck aus diesen Debatten rauszunehmen. Vielleicht gibt es heute oder morgen noch keine Lösung, aber ich kann versuchen, den Druck rauszunehmen, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Dann entwickeln sich die Dinge weiter.
domradio.de: Menschen und Kontakt ist ein großes Stichwort. Aktuell merkt man, wie sehr er um sich blickt. Er befragt zum Beispiel die Jugend in einer Online-Befragung. Gemeinsam Kirche sein, ist das sein Statement?
Pater Hagenkord: Auf jeden Fall. Er nimmt den Glauben des Volkes sehr ernst. Das ist eine theologische Richtung aus Argentinien. Dabei geht es darum, was und wie die Menschen glauben, und was ihnen wichtig ist. Das nimmt er auf und entwickelt er weiter. Das ist eine starke Theologie, die von unten kommt, und nicht den Menschen sagt, was sie zu glauben oder nicht zu glauben haben. Diese Theologie versucht, das aufzugreifen, was an Glauben da ist, und das weiter zu bringen. Das geht nur mit Kontakt zu den Menschen, und da ist er ein ganz großer Meister.
domradio.de: Vier Jahre - das ist ein Grund zu feiern. Merkt man im Vatikan in Rom eine ausgelassene Stimmung?
Pater Hagenkord: Papst-Wahltage sind Feiertage, das ist im Kalender der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr wichtig. Ansonsten legt Franziskus, wie auch bei Geburtstagen und Amtsantritten, keinen großen Wert darauf, dass das gefeiert wird. Man merkt es insgesamt wenig, da vier Jahr noch kein rundes Jubiläum sind. Im nächsten Jahr sehen wir weiter.
Das Gespräch führte Verena Tröster.