domradio.de: Erst hatte es so ausgesehen, als würde Trump der erste US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg sein, der bei einem Rom-Besuch nicht den Papst trifft. Doch so weit ist es nicht gekommen. Die beiden haben sich heute per Handschlag begrüßt - in welcher Atmosphäre fand das Treffen statt?
Bernd Hagenkord (Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan): Es war die erste Station von Donald Trumps Reise in Europa. Das ist außergewöhnlich. Auf der anderen Seite wissen sowohl Papst Franziskus als auch Donald Trump sicherlich, dass das, was um dieses Treffen herum läuft, Teil eines formalen Settings ist. Das Wichtige findet statt, wenn die beiden hinter verschlossenen Türen zusammensitzen.
domradio.de: Beobachter haben Franziskus zunächst als "sehr ernst" beschrieben, später als entspannter. Teilen Sie diesen Eindruck?
Hagenkord: Ja, wenn man genau hingeschaut hat, kann man das schon sagen. Dennoch ist es ein bisschen "Kaffeesatzleserei". Papst Franziskus guckt gern mal etwas streng. Ich denke, wir dürfen nicht zu viel hinein interpretieren. Er war sicherlich konzentriert, er war sicherlich vorbereitet - das hat man gemerkt. Aber ich würde in Gesichtsausdrücke nicht zu viel hineininterpretieren - zumal auch deshalb nicht, weil Donald Trump in diesen Dingen ein echter Profi ist.
domradio.de: Dass der Pontifex und der Präsident in ihren Positionen - etwa zum Thema Migration oder Umweltschutz - weit auseinander liegen, ist allgemein bekannt. Über was werden die beiden wohl gesprochen haben?
Hagenkord: Es gibt viele Dinge, die man ansprechen kann. Ganz wichtig ist in meinen Augen das Thema Religionsfreiheit. Das ist auch eine Debatte in den USA. Wie frei ist die USA? Wie frei sind Religionen? Was müssen sie und was dürfen sie nicht? Solche Sachen sind sicherlich zu diskutieren. Aber auch die Verfolgung im Nahen Osten dürfte ein Thema gewesen sein. Trump kam ja gerade aus Saudi-Arabien und Israel. Dies ist auch ein Thema, das Papst Franziskus - Stichwort Syrien - sehr am Herzen liegt.
Dies sind zwei Themen, zu denen auf jeden Fall Redebedarf besteht. Aber Franziskus wäre nicht Franziskus, wenn er nicht auch Dinge ansprechen würde - in aller Offenheit und Freundschaft - wo die beiden auseinanderliegen, wie zum Beispiel bei dem Mauerbau zwischen den USA und Mexiko. Ich vermute, dass diese Themen auch auf den Tisch gekommen sind, wobei dem Papst wichtig war, die offenen Türen zu suchen und nicht den Konflikt.
domradio.de: Beim Abschied versicherte Trump dem Papst, "er werde nicht vergessen, was dieser ihm gesagt habe."....Hat Franziskus sein Ziel erreicht, mit dem mächtigsten Mann der Welt ins Gespräch zu kommen?
Hagenkord: Offensichtlich schon. Franziskus ist jemand, der sehr klug ist. Ich vermute, dass er und Donald Trump offen miteinander gesprochen haben. Dies ist bestimmt etwas, das Donald Trump mitnehmen kann. Ich hoffe aber auch, dass Papst Franziskus etwas von dem Besuch mitgenommen hat. Es soll ja nicht nur eine Einbahnstraße sein, sondern es ging um einen gegenseitigen Austausch, um einen Dialog. Das war dem Papst schon im Vorfeld sehr, sehr wichtig. Warten wir mal ab. Es gibt keine konkreten Deals, die zwischen dem Vatikan und der USA abzuschließen sind. Aber wir dürfen gespannt sein, welche Wirkungen dieses Treffen zeigen wird.
domradio.de: Schöne Bilder mit dem Papst - die kann der angeschlagene Trump zu Hause doch ziemlich gut gebrauchen, oder? Ist das nicht eine reale Gefahr, dass Trump das Treffen zur Imagepflege instrumentalisiert hat?
Hagenkord: Ich glaube, dass es fast keinen Politiker auf unserem Planeten gibt, der solch einen Besuch nicht auch zur Imagepflege tun würde. Besser so - auch wenn es politische Auswirkungen haben kann - als, dass gar nicht miteinander geredet wird. Natürlich hat das immer auch PR-Effekte, aber so funktioniert die Welt nun einmal.
domradio.de: Franziskus überreichte Trump eine Ausgabe seiner Umweltenzyklika "Laudato si". Trump revanchierte sich mit Schriften des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King. Wie ist das zu bewerten?
Hagenkord: Dass der Papst seine Enzykliken verschenkt, ist normal. Martin Luther King ist jemand, den Papst Franziskus mehrfach schon zitiert hat. Er hat ihn zum Beispiel ausführlich in seiner Schrift in "Amoris laetitia" zitiert. Auch in der Rede vor dem US-Kongress hat er ihn zitiert. Franziskus hat eine Affinität zu Martin Luther King. Dass Donald Trump ihn mit Schriften von King beschenkt, finde ich ein sehr gutes Zeichen. Es hatte sowieso den Anschein, dass Donald Trump sehr vorbereitet in dieses Treffen gegangen ist und genau geschaut hat, was der Papst über und zu den USA gesagt hat. Dahin gehört eben auch Martin Luther King.
Das Interview führte Hilde Regeniter.