Der Ausgang der Landtagswahl in Brandenburg sorgt für gemischte Gefühle bei Religionsvertretern. Der Zentralrat der Juden in Deutschland sprach von einer polarisierten Gesellschaft. Die frühere Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, erklärte, es gebe Grund zur Erleichterung, aber nicht für Euphorie.
Die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke bekam laut dem vorläufigen Ergebnis 30,9 Prozent, knapp vor der AfD mit 29,2 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht erzielte aus dem Stand 13,5 Prozent, die CDU 12,1 Prozent. Grüne, Linke, FDP und Freie Wähler kamen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde und gewannen auch kein Direktmandat, mit dem sie in den Landtag hätten einziehen können. Die Wahlbeteiligung lag mit 72,9 Prozent so hoch wie nie.
AfD-Erfolg als "bittere Tatsache"
"Wenn erneut fast ein Drittel der Wähler eine zerstörerische politische Partei wie die AfD an der Macht sehen will und eine populistische Kraft wie das BSW wieder zweistellig wird, dann darf uns das nicht unberührt lassen", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Sonntagabend kurz nach dem Ende der Wahl. "Die Stärke der politischen Ränder ist nicht gut für Deutschland."
Knobloch betonte, es mache ihr Hoffnung, dass eine demokratische Kraft den Wahlsieg der AfD "in letzter Minute" verhindert habe. Dies zeige, dass nicht nur Extremisten mobilisieren könnten. Allerdings bleibe "die manifeste Gefahr für die demokratischen Institutionen" bestehen, so die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Dies hinterlasse Spuren in der jüdischen Gemeinschaft: "Niemand kann schließlich sagen, ob der Damm, der heute noch gehalten hat, nicht beim nächsten Mal doch bricht."
Bischof: Extremismus darf nicht Oberhand gewinnen
Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, appellierte an die demokratischen Parteien, "die Hetze der AfD zu entlarven und Bürgerinnen und Bürger für die Demokratie zurückzugewinnen". Die Partei habe sich im Wahlkampf "unverhohlen nazistischer Propagandaklischees bedient und andere Menschen immer wieder durch Hetze und Drohungen dämonisiert". Für Holocaust-Überlebende sei der Zuspruch zur AfD "eine bittere Tatsache, die ihren Blick auf Deutschland verschattet".
Der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein zeigte sich erleichtert, dass es gelungen sei, dass die AfD nicht stärkste Partei geworden ist. "Menschenfeindliche Parolen und Extremismus dürfen nicht die Oberhand gewinnen", so der Bischof. Aber der Schrecken über die "hohe Unterstützung für Extremisten und Populisten" dürfe auch nicht einfach verhallen. "Die Auseinandersetzung um die Frage, wie wir leben wollen, muss geführt werden, braucht Orte, offene Orte - die Kirchen können und wollen solche Orte sein." Es brauche ein ehrliches gemeinsames Tragen und Aushalten in diesen Zeiten, in denen viel Umbruch, Transformation und Zeitenwende sei, so Stäblein.
Erzbischof: Jeden Tag hat man "die Wahl"
Der Berliner katholische Erzbischof Heiner Koch erteilte Hass und Ausgrenzung eine Absage. "Einige Parteien" begegneten Veränderungen "mit einfachen oder gar menschenfeindlichen Antworten, sie schüren Ängste", kritisierte er. Dabei ließen sich Herausforderungen nur im Dialog und miteinander meistern. Koch nannte beispielhaft Dürre und Hochwasser, Fachkräftemangel, Abwanderung und Integration.
Der Erzbischof erklärte weiter, jeder habe jeden Tag durch Worte und Taten die Wahl, nicht nur am Wahltag zwischen verschiedenen Parteien: "Unser Umgang miteinander bestimmt die Welt, in der wir in Zukunft leben." Er wünschte "den Beteiligten der demokratischen Parteien viel Kraft, Mut und Geduld, gemeinsam einen guten Weg für Brandenburg auszuhandeln".