Reaktionen auf Schuldspruch gegen Ex-Diktator Taylor

"Ein Meilenstein"

Einen Tag nach der Verurteilung des ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor durch das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag herrschen weltweit Freude und Erleichterung. "Ein Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit", erklärt im domradio.de-Interview die EU-Abgeordnete Barbara Lochbihler.

Autor/in:
Annette Birschel
 (DR)

Mit "großer Erleichterung" reagierten auch das katholische Entwicklungshilfswerk MISEREOR und seine Partner in Liberia auf den Schuldspruch. "Dies ist ein guter Tag für die Menschen in Sierra Leone und Liberia und ein wichtiger Beitrag für den Friedensprozess und die Wiederversöhnung in dieser westafrikanischen Region", erklärte der Bischof der Diözese Cape Palmas aus Liberia, Andrew Karnley, am Donnerstag in Aachen. Von Den Haag gehe "eine starke Botschaft an alle Despoten und Gewaltherrscher dieser Welt aus, dass Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Staatschefs nicht ungesühnt bleiben dürfen".



Auch die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper (FDP), sprach von einem wichtigen Signal. "Auch ehemalige Staatsoberhäupter können sich ihrer strafrechtlichen Verantwortung für Kriegsverbrechen nicht entziehen", sagte sie.



Die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sprach von einem überfälligen Urteil. "Es ist ein großer Fortschritt für internationale Rechtsstaatlichkeit und es ist eine deutliche Warnung: Kein politisch Verantwortlicher, auch kein Staatsoberhaupt, wird zukünftig mehr ungestraft bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durchkommen", betonte sie.



In elf Punkten verurteilt

Friedensstifter am Tag, Warlord bei Nacht: Die Richter ließen sich von Unschuldsbeteuerungen nicht täuschen. Liberias Ex-Diktator Taylor wurde verurteilt, weil er auf der Jagd nach "Blutdiamanten" in Sierra Leone Kriegsverbrechen anstiftete. Am Donnerstag fiel der Schuldspruch eines internationalen Sondertribunals gegen den ehemaligen Präsidenten von Liberia, Charles Taylor. Der einstige Staatsmann mit dem leicht ergrauten Stoppelbart und der feinen Nickelbrille wurde wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in elf Punkten im Bürgerkrieg in Sierra Leone verurteilt. Eine Haftstrafe gilt als sicher. Wie lange sie dauern soll, wird am 30. Mai entschieden.



Mit Waffen, Geld und Anweisungen hatte der heute 64-jährige Taylor die berüchtigten RUF-Rebellen unterstützt und daher zu Gräueltaten angestiftet, urteilten die Richter in Leidschendam bei Den Haag. Zwei Stunden und neun Minuten dauerte die Verlesung der Urteilsbegründung, dann bat der Vorsitzende Richter, Richard Lussick, den Angeklagten, sich zu erheben.



Taylor nahm Urteil mit unbewegter Mine entgegen

Mit unbewegter Mine, die Hände vor dem Bauch gefaltet, hörte der einstige Präsident das Urteil an: "Der Angeklagte ist der Beihilfe und Anstiftung für die von der Anklage erhobenen Verbrechen schuldig." Zum ersten Mal seit der Verurteilung des Hitler-Nachfolgers Karl Dönitz 1946 in den Nürnberger Prozessen sprach ein internationales Gericht ein ehemaliges Staatsoberhaupt der Beihilfe zu Kriegsverbrechen schuldig.



Ein glatter Schuldspruch im Sinne der Anklage wurde es aber nicht. Es sei nicht erwiesen, dass Taylor tatsächlich die Rebellen kontrolliert und ihnen Befehle gegeben habe. Die Beweise dafür, dass er die Terrorangriffe auf die Zivilbevölkerung von langer Hand geplant und koordiniert habe, reichten nicht aus.



Warnende Botschaft an in Luxus schwelgende Ex-Tyrannen

Gleichwohl wird das Urteil als Meilenstein und warnende Botschaft an Ex-Tyrannen gewertet, die in Ruhe und im Luxus leben. Der Sondergerichtshof zu Sierra Leone sende mit Taylors Verurteilung ein wichtiges Signal, findet Cornelia Pieper (FDP), Staatsministerin im Auswärtigen Amt in Berlin: Auch ehemalige Staatsoberhäupter könnten sich ihrer strafrechtlichen Verantwortung für Kriegsverbrechen nicht entziehen.



Aufmerksam und oft stirnrunzelnd folgte Taylor dem Richter, der mit monotoner Stimme die Urteilsbegründung verlas. Es war das Protokoll eine grausamen Bürgerkrieges. Von 1991 bis 2002 hatten Rebellen Zehntausende Menschen getötet, ihnen Beine und Arme abgehackt, Frauen und Mädchen vergewaltigt, Kinder zum Kämpfen gezwungen und sie als Sklaven in Diamantenminen eingesetzt. "Taylor hat davon gewusst", sagte Richter Lussick. Spätestens seit 1997, als er Präsident des Nachbarlandes Liberia wurde.



Drei Jahre und zehn Monate hat das Verfahren gedauert, 116 Zeugen sagten aus. Darunter waren Männer, denen Rebellen die Arme abgehackt hatten. Während seiner sieben Monate dauernden Vernehmung hatte Taylor selbst stets seine Unschuld beteuert und sich als Friedensstifter der Region präsentiert. Dieses Bild fegte das Gericht vom Tisch. Während der Präsident sich tagsüber vor den Augen der Welt in seinem Gästehaus in Monrovia um Frieden bemühte, habe er nachts Geschäfte mit den Rebellen gemacht: Waffen und guter Rat im Tausch für Diamanten. Die sogenannten Blutdiamanten.



Einige dieser Steine erhielt auch das britische Topmodel Naomi Campbell bei einem Benefiz-Dinner in Südafrika als kleines Präsent. Bei ihrem spektakulären Auftritt vor den Richtern hatte Campbell zwar bestätigt, dass sie "schmutzig aussehende Steine" bekommen habe. Doch von wem, das wusste sie angeblich nicht.



Bis 2003 war Taylor Staatspräsident, kurz nach der Erhebung der Anklage trat er unter internationalem Druck zurück und ging ins Exil nach Nigeria. Dort wurde er nach kurzer Flucht 2006 verhaftet und dem Gericht ausgeliefert. Bis zum Schluss präsentierte er sich als weltgewandter Gentleman, in feinstes Tuch gekleidet, mit rotem Schlips und goldenen Manschettenknöpfen an blütenweißen Hemdsärmeln. Die Haftstrafe, die er zu erwarten hat, wird er in Großbritannien verbüßen. Das hat London zugesagt.