Immer mehr drängen Franziskus zu Reform der Papstwahl

Regelung auch für Fall der Amtsunfähigkeit?

Eine ganze Reihe von Experten plädiert dafür, die Regeln für die Papstwahl dringend zu reformieren. Beinahe im Wochentakt kommen neue Vorschläge hinzu. An Ideen herrschst wahrlich kein Mangel. Ein Überblick.

Autor/in:
Alexander Pitz
Papst Franziskus: Daumen hoch / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus: Daumen hoch / © Paul Haring ( KNA )

Man könnte meinen, das "fine papato", das Ende des Franziskus-Pontifikats, liege in der Luft. Kaum eine Woche vergeht, in der Kirchenkenner nicht darüber diskutieren, wie eine zeitgemäße Nachfolgeregelung aussehen könnte. Die schwere Darm-OP des Papstes Anfang Juli hat bewusst gemacht, dass das nächste Konklave früher kommen könnte als gedacht.

Namhafte Experten bedrängen den fast 85-Jährigen nun geradezu, die Weichen rechtzeitig zu stellen - mit unterschiedlichen Beweggründen.

Die Kirchenhistoriker Alberto Melloni und Massimo Faggioli befürchten, Gegner des Reformkurses von Franziskus könnten mit allen Mitteln versuchen, im Fall eines Machtvakuums ihren Willen durchzusetzen. Darum müsse der Papst "umgehend" handeln und die Regeln des Konklaves aktualisieren.

Großes Risiko?

Wenn der Argentinier nichts unternehme, gehe er ein "großes Risiko" ein, schrieb Faggioli jüngst in einem Gastbeitrag für "La Croix International". So werde eine "kleine Gruppe" versuchen, die nächste Wahl durch gezielte Kampagnen in den Sozialen Medien zu manipulieren.

Die Macht "katholischer Influencer" sei inzwischen beträchtlich und könne zu einer Situation führen, die "weitaus gefährlicher" sei, als die meisten Beobachter meinten.

Hinzu komme, dass viele der zuletzt neu ernannten Mitglieder des Kardinalskollegiums keine persönlichen Kontakte zueinander hätten.

Die von Franziskus bewusst betriebene Internationalisierung führe zwar zu mehr Vielfalt, mache die Verständigung auf einen gemeinsamen Kandidaten aber schwieriger. Zumal für eine gültige Wahl eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. Obendrein werde die Freiheit des Konklaves durch die Aufarbeitung der Missbrauchskrise bedroht.

Vor diesem Hintergrund müsse mit "instrumentellen Anschuldigungen" gerechnet werden, um missliebige Kandidaten aus dem Kreis der Papabili auszuschließen.

Faggioli macht sich daher einige "durchdachte und vernünftige Vorschläge" seines italienischen Kollegen Melloni zu eigen, die in der Zeitschrift "Il Mulino" veröffentlicht wurden. Melloni fordert den Papst auf, die Regeln den Bedingungen "extremer Verwundbarkeit" anzupassen. Die letzte umfangreiche Änderung der Konklave-Ordnung stammt von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1996. Nun sei es an der Zeit für ein Update.

Eine Art "Vetorecht"

Der Historiker nennt konkrete Schritte, die dazu dienen sollen, eine Art "Vetorecht" traditionalistischer Netzwerke zu verhindern. So müssten die Papstwähler bereits in den Tagen des "Vorkonklaves" völlig isoliert im vatikanischen Gästehaus wohnen. Die Wahlberechtigten - also die Kardinäle unter 80 Jahren - müssten ferner im Konklave mehr Zeit für ausführliche Befragungen und Debatten haben, damit sie einander gründlich überprüfen könnten.

Zudem müsse der Wahlvorgang an den ersten Tagen mit nur einem Wahlgang pro Tag entschleunigt werden. Und schließlich will Melloni dem Gewählten ausreichend Bedenkzeit einräumen, damit dieser, falls ihm selbst "dunkle Flecken" in seiner Biografie einfielen, die Wahl noch ablehnen könne.

Aus Sicht des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf sind die Vorschläge zwar "allesamt durchaus bedenkenswert, greifen aber im Grunde zu kurz". Die "entscheidenden Probleme" würden nicht angegangen, schrieb er in einem Beitrag für das Portal katholisch.de.

Wolf fordert eine Regelung für den Fall, dass ein Papst aufgrund schwerer Krankheit amtsunfähig wird. Das sei unaufschiebbar. Das Thema "einer päpstlichen Generalvollmacht oder einer entsprechenden Patientenverfügung" sei zwar heikel, so der Experte; aber: "Was wäre geschehen, wenn Franziskus nach seiner Operation ins Koma gefallen und daraus über Monate und Jahre nicht wiedererwacht wäre?" Eine solche "Hängepartie" würde nach Wolfs Einschätzung "zu einer wirklichen Krise der katholischen Kirche" führen.

Für Konklave-Reform

Mit dem deutschen Kardinal Walter Brandmüller plädiert noch ein weiterer Kenner der Materie für eine Konklave-Reform; allerdings mit einem anderen Ansatz. Brandmüller veröffentlichte seine Ideen bereits zu Jahresbeginn auf dem österreichischen Internetportal kath.net. Der italienische Vatikan-Journalist Sandro Magister griff sie kürzlich in seinem Blog erneut auf. Der bald 93-jährige Kardinal, unter Benedikt XVI. Leiter des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft, regt an, die Zahl der Papstwähler - der aktuelle Richtwert beträgt 120 - zu reduzieren und dafür die möglichen wählbaren Kandidaten zu erhöhen.

Mit Blick auf die historische Entstehung des Kardinalskollegiums aus dem Klerus der Stadt Rom will Brandmüller das aktive Wahlrecht auf ein "sehr reduziertes und wirklich römisches" Kardinalskollegium begrenzen. Damit werde auch die Möglichkeit des Papstes begrenzt, gezielt Kardinäle auf der ganzen Welt für seine Nachfolgeplanung zu ernennen. Die möglichen Kandidaten müssten diesen Vorstellungen zufolge nicht unbedingt dem Konklave angehören; sie sollten aber mindestens fünf Jahre Erfahrung in einem Leitungsamt der Kurie haben.

An Ideen herrschst also kein Mangel. Für welches Vorgehen sich Franziskus entscheidet, darüber wird in den nächsten Monaten weiter eifrig spekuliert werden.


Kardinäle feiern eine Messe vor Beginn des Konklaves 2013 (KNA)
Kardinäle feiern eine Messe vor Beginn des Konklaves 2013 / ( KNA )

Konklave Vorbereitungen (KNA)
Konklave Vorbereitungen / ( KNA )
Quelle:
KNA