Religiöses Symbol und politisches Herrschaftszeichen

Zankapfel Kreuz

Für die Kirchen ist es eine schwierige Situation: Sie protestieren gegen Kreuzsymbole in bayrischen Amtsstuben. Doch es geht ihnen eigentlich um Protest gegen politische Vereinnahmung. Das Kreuz bleibt ein Zankapfel.

Kreuze / © Simon Koy (KNA)
Kreuze / © Simon Koy ( KNA )

Kreuze als Symbole für christlichen Glauben und europäische Kultur. Kreuze als politische Herrschaftszeichen. Und Kreuze als Provokation in einer säkularer werdenden Gesellschaft. Der Streit um das wohl bedeutendste Symbol der Christenheit lebt immer wieder auf.

Zankapfel zwischen den Konfessionen

"Das Kreuz ist in der Tat beides: religiöses Kernsymbol und politisches Herrschaftszeichen", verdeutlichte der Salzburger katholische Theologieprofessor Hans-Joachim Sander am Montag in der "Frankfurter Rundschau", wie verzwickt das Thema ist.

Als Hinrichtungsinstrument der Römer war es Ausdruck brutaler imperialer Macht. Durch den christlichen Glauben ist es in die Sphäre der Religion gerückt. Wobei es seit Kaiser Konstantins Wende zum Christentum im Jahr 312 - "In diesem Zeichen wirst Du siegen" - auch zum politischen Herrschaftssymbol wurde.

Der Blick auf das Kreuz hat sich im Verlauf der Geschichte immer wieder verändert. Es war Zankapfel zwischen Kirche, Staat und Gesellschaft, ja sogar zwischen den Konfessionen. Für die frühen Christen war es wohl noch zu anrüchig; sie nutzten eher den Fisch und das Christusmonogramm XP als Erkennungszeichen. Erst durch das Konzil von Ephesos im Jahr 431 n. Chr. wurde das Kreuz offiziell als christliches Zeichen eingeführt.

In der Reformation wurden Kreuze entfernt

Auch die Aussage änderte sich immer wieder: Ab dem 13. Jahrhundert wurde nicht mehr der triumphierende, den Tod besiegende Christus dargestellt, sondern der leidende Christus in den Vordergrund gerückt. Der Gekreuzigte wurde wichtiger als das Kreuz selbst.

Das änderte sich wieder im Zeichen von Reformation und Gegenreformation im 16. Jahrhundert. In protestantischen Regionen wurden Kreuze aus Kirchen entfernt, Wegekreuze zerstört und das Kreuzzeichen abgeschafft. Es sei Gotteslästerung, Kreuzesreliquien zu verehren oder sich vom Kreuzzeichen "magische Hilfe" zu erwarten, wandten sich protestantische Prediger gegen "abergläubische Praktiken".

Das veranlasste die Katholiken dazu, den Kreuzeskult erst recht neu zu beleben: Allerorten entstanden dem Kreuz geweihte Kirchen und Kapellen sowie Wegekreuze und Bilder. Das Kreuz als Symbol katholischer Macht: Kein Wunder, dass nicht mehr der leidende Christus im Vordergrund stand, sondern der triumphierende.

Kreuzkampf im Nationalsozialismus

Politischen Streit löste das Kreuz zur Zeit des Nationalsozialismus aus - vor allem beim sogenannten Oldenburger Kreuzkampf. Im November 1936 ordnete das NS-Schulministerium an, die Kreuze aus den Schulen des stark katholisch geprägten Oldenburger Münsterlandes zu entfernen.

Trotz Diktatur formierte sich binnen weniger Tage eine große katholische Protestbewegung. Gläubige verschickten Protestschreiben. Mehrere Bürgermeister und viele Lehrer weigerten sich, die Kreuze abzuhängen. Selbst Gruppen verschiedener NSDAP-Unterorganisationen erschienen nicht zum Dienst.

Die Glocken läuteten täglich, manchmal auch die Not- oder Brandglocke. An Kirchtürmen wurden große, leuchtende Kreuze angebracht. Schließlich nahmen die Nationalsozialisten den Erlass zurück.

Bayerischer Kreuzstreit - einmaliges Phänomen

Heutzutage, in einer immer säkularer und multireligiöser werdenden Gesellschaft, sind neue Konfliktlinien dazu gekommen. Nicht-Christen klagen vor Gerichten gegen Kreuze in Gerichtssälen und Klassenzimmern. Das - aus historischen Gründen - geplante Kuppelkreuz auf dem Humboldt Forum im Berliner Schloss führte zu heftigen Debatten über die christliche Prägung und Tradition der Gesellschaft.

Die Konfliktlinien im neuen bayrischen Kreuzstreit aber dürften wohl historisch einmalig sein: Dass der Staat in Person von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Aufhängung von Kreuzen in staatlichen Gebäuden anordnet und sich die Kirchen dagegen wenden, ist eine Ironie der Geschichte.

Allerdings: Die Kirchen sind nicht gegen das Kreuz, sondern gegen seine Vereinnahmung für politische Zwecke. Der Ministerpräsident habe das Symbol menschlicher Ohnmacht als "Zeichen staatlicher Macht, ja sogar als persönlichen Macht-Gestus" missbraucht, so bringt es Dogmatik-Professor Sander auf den Punkt. "Mit dem Kreuzsymbol als Ausdruck einer angeblich christlichen Macht drängt er andere Religionsgemeinschaften und deren Gläubige, aber auch Nicht-Gläubige an den Rand."

Von Christoph Arens


Quelle:
KNA