Hat das Lachen einen Platz in Kirche und Religion?

Religion und Humor

Der Glaube und das Lachen – geht das überhaupt zusammen? Und wie steht es mit Indizien, dass Gott auch ein lachender Gott ist? Diesen Fragen ging in Kolumba unter anderem ein Experte in Sachen Humor nach: Diakon Willibert Pauels.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Willibert Pauels / © Tomasetti (DR)
Willibert Pauels / © Tomasetti ( DR )

Sarah lachte. Sie stand hinter der Zeltplane und horchte, was Gott in der Gestalt von drei Männern mit Abraham zu besprechen hatte. Die Tatsache, dass ihnen im gesegneten Alter von 90 und 100 Jahren noch ein Kind geschenkt werden sollte, schien ihr offenbar so absurd, dass sie nicht an sich halten konnte und ungläubig loslachte. Dann aber wurde das Kind geboren, und die beiden freuten sich so sehr, dass sie ihr Kind "Lachen" nannten. Das jedenfalls bedeutet der Name "Isaak" aus dem Hebräischen übersetzt.

Aber das war es dann auch schon mit dem Lachen in der Bibel. Allenfalls ist noch von ironischem, spöttischem Lachen Gottes über das sich auflehnende Volk die Rede. Wie im Psalm 2: "Der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet ihrer." Oder es gibt auch noch das freudige Lachen, wenn es in Psalm 126 heißt: "Da wurde unser Mund voll Lachens, und unsere Zunge voll Jubels: Da sagte man unter den Nationen: Der Herr hat Großes an ihnen getan." Mehr noch als das Lachen über eine unerwartet komische Pointe ist hier aber die Freude gemeint; die Freude der Juden über die bevorstehende Ankunft des Messias, der sie aus jeder Not retten wird.

Veranstaltung zum Offenbach-Jahr

Doch wie steht es grundsätzlich um die Beziehung zwischen Humor und Religion, zwischen Glaube und Lachen? Und wie ist es um das Lachen in der Kirche bestellt ist – wenn einem angesichts der aktuellen Nachrichtenlage selbiges eher im Halse stecken bleibt und dem Kirchenvolk nach allem, nur nicht nach Lachen zumute ist? Im Kolumba-Museum war man jetzt unter der Überschrift "Humor und Religion" um Spurensuche nach genau dieser Allianz bemüht – wohlgemerkt als Beitrag zum Kölner Offenbach-Jahr, wie Gastgeber Dr. Stefan Kraus erklärte, der in seinem Haus ganz nebenbei auch auf manchen humorigen Effekt setzt, wie er betonte.

Neben eher sehr Grundsätzlichem bei diesem Thema ging es daher dann – sehr speziell – auch um den Erfinder der spöttischen Musik-Satire, Jacques Offenbach. Schließlich gilt der Sohn jüdischer Eltern, der vor 200 Jahren in Köln am Griechenmarkt geboren wurde, geradezu als Experte in Sachen feinsinnigem Humor, heiterem Spiel und hintergründigem Witz. Das jedenfalls sind die originellen Zutaten, mit denen der Musiker, der wegen seiner künstlerischen Ambitionen 1833 nach Paris ging und hier mit seinen erfolgreichsten Schöpfungen "Orpheus in der Unterwelt", "Die schöne Helena" oder "Hoffmanns Erzählungen" zum gefeierten Operetten-Komponisten von Weltruhm avancierte, sein Musik-Theater würzt. Also ein Könner im Bereich Karikatur und Spott, der in seiner Zeit das hohle Pathos der Grand Opéra mit einer gewissen Leichtigkeit aufs Korn nahm – ohne Walzer-Kitsch und Champagner-Seligkeit. Und doch sei er gleichzeitig noch sehr viel mehr als nur das gewesen, wie der Offenbach-Experte Ralf-Olivier Schwarz aus Frankfurt klar stellte: ein Suchender, nicht unbedingt religiös, aber doch spirituell – wenn man diese Ausnahmepersönlichkeit mit der Umschreibung des französischen Begriffs "esprit" charakterisiert.

Wichtig, über sich selbst zu lachen

Zusammen mit Diakon Willibert Pauels, bekannt als "ne bergische Jung", Kabarettist und Büttenredner, und Professor Andreas Speer, Lehrstuhlinhaber für Philosophie an der Universität Köln, lieferte sich Schwarz einen Schlagabtausch über das, was Humor kann, darf und sollte – und was nicht. Dabei ging es nur bedingt heiter zu, denn Humor ist eine ernste Sache. "Der brennende Dornbusch ist gar nicht lustig", befand beispielsweise Pauels, der angesichts des weit gefassten Themas genau die Grenzen zwischen Unverzichtbarem und nicht Zulässigem absteckte. Humor, so seine Überzeugung, sei der kleine Bruder des Glaubens. Eine Kirche ohne Humor habe ihr Wesen verfehlt. Humor gepaart mit Liebe und Religion mit Liebe hingegen seien sogar so etwas wie Zwillingsgeschwister, unterstrich er. Eine gesunde Religiösität gehe durchaus mit Humor einher; mit der Fähigkeit, auch einmal fünfe gerade sein zu lassen, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen – wie etwa Papst Johannes XXIII. es einmal formuliert hat – und auch über sich lachen zu können. Religiöse Fanatiker gehe gerade diese Fähigkeit ab. Über sich lachen könne nur, wer radikal über den Dingen stehe, die österliche Perspektive einnehme, argumentierte der Seelsorger.

Problematisch werde es, wenn falsch verstandener Humor ins Blasphemische abgleite oder eine Predigt in eine Büttenrede kippe. Doch solange Humor echt und authentisch sei, das "teatrum sacrum" die Liturgie zum Leuchten bringe, könne Humor ein Prüfstein sein, so Pauels. Und er habe eine integrative Kraft. "Wenn ich vom Lachen spreche", betonte der Diakon aus Oberberg, "meine ich immer ein liebevolles Lachen – nicht das höhnische, zynische oder menschenverachtende, das verletzt." "Ein solches echtes Lachen kann befreiend sein, und dann ist man leicht wie ein Engel." Und Pauels wäre nicht Pauels, wenn er nicht in jeder Lebenslage spontan den einen oder anderen Witz parat hätte, der genau unterstreicht, um was es dem Kirchenmann und Karnevalisten in einer solchen Diskussion im Wesentlichen geht. So erinnerte er an das traditionelle "risus pascalis", das "Osterlachen", das noch heute – als einst mittelalterlicher Brauch – zu jeder Osterpredigt gehört. Damit wurde die Auferstehung des Herrn beklatscht und bejubelt und die Verlierer Tod und Teufel ausgelacht.

"Osterlachen" ist ernste Angelegenheit

Eine andere Einschätzung – bei der Beurteilung des Verhältnisses von Religion und Humor – nahm der Philosoph Speer vor. Nicht notwendigerweise müssten beide zusammengehen, vielmehr verbinde beide ein natürliches Spannungsverhältnis; allerdings eine Spannung von großer Ernsthaftigkeit. "Diesen Antagonismus muss man nicht zwangsläufig auflösen wollen", sagte der Wissenschaftler. Humor und Lachen böten die Möglichkeit, von sich selbst Distanz zu gewinnen und Stellung zur Welt zu beziehen. Im Humor drücke sich eine Distanznahme, eine reflexive Haltung aus. Jeder lachende Clown habe immer auch eine traurige Seite. So sei für ihn persönlich das Osterlachen in der Liturgie auch eine zutiefst ernste Angelegenheit. Mit dem Lachen trete der Mensch gewissermaßen neben sich, weil er das Unglaubliche, das sich Ostern ereigne, nicht mehr aushalten könne. Die Liturgie sei ein ernsthaftes Geschehen, so der Dozent der Uni Köln. Und an anderer Stelle meinte er: "Machen wir die Religion nicht humorvoller, als sie ist!" Es gehöre zum Menschsein dazu und zeichne ihn aus, zu sich selbst in Distanz treten, über sich nachdenken und auch lachen zu können. Denn er verfüge über Vernunft und einen freien Willen. "Echtes Lachen ist ansteckend, springt über, schlägt neue Seiten auf, öffnet Türen", merkte Speer außerdem an.

Offenbach stellt Frage nach den letzten Dingen

Schließlich ging es am Beispiel von Jacques Offenbach sehr konkret darum, wie Humor und bewusst kalkuliertes Lachen als überaus feinsinnige Methode eingesetzt werden, um politische Missstände einer Epoche unter die Lupe zu nehmen, sie zu sezieren, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und das mit den ausgefeilten Mitteln der Unterhaltung. Der Musikwissenschaftler Schwarz, der auch als Berater des Offenbach-Jahres fungiert, räumte mit dem Klischee auf, die Operetten Offenbachs seien allein komödiantische Meisterleistungen und daher zum Schenkelklopfen frei gegeben. Schließlich bewegte sich der Musiker mit den von ihm gewählten Autoren und stets einem Schuss Anzüglichkeit immer knapp an den Grenzen zum Verbotenen. Das Ergebnis war nichts weniger als politisches Kabarett auf der Bühne, das um die Welt ging. Gelacht wurde damals viel, aber vermutlich auch, weil klar war, dass am Ende immer ein "Cancan" stand, das Sinnbild für Spaß, Tanz und Rausch schlechthin.

Doch dass der "Macher" dahinter extrem differenziert, keineswegs eindimensional und eben durchaus ein Meister von Nuancen war, wenn er feine Spitzen setzte, erläuterte Schwarz. "Es ging nicht um Klamauk. Für Offenbach ging es um die einfachen Menschen, ihre tragischen Schicksale und die zentrale Frage: Wie gehe ich mit einem Schicksalsschlag um? Weine ich oder lache ich?" Diese nur vermeintlich schwachen Charaktere besetzten bei ihm die Hauptrollen, seien die wahren Sujets seiner Stücke: die Prostituierte Metella etwa in „Pariser Leben“ oder die mittellose Gassensängerin Perichole in der gleichnamigen Operette. Auf seine Weise stelle Offenbach die Frage nach den letzten Dingen", erklärte Schwarz. In Wahrheit sei in diesen Operetten nichts, wie es scheine. Nur wenn man hinter die Oberfläche dieser aufgesetzten Heiterkeit schaue, bekomme diese vordergründig so eingängige und unterhaltsame Musik eine große Tiefe.


Im Publikum: Kardinal Woelki / © Tomasetti (DR)
Im Publikum: Kardinal Woelki / © Tomasetti ( DR )

Dr. Ralf-Olivier Schwarz, ausgewiesener Offenbach-Experte, räumte mit Klischees über den Musiker auf. / © Tomasetti (DR)
Dr. Ralf-Olivier Schwarz, ausgewiesener Offenbach-Experte, räumte mit Klischees über den Musiker auf. / © Tomasetti ( DR )

Professor Andreas Speer hatte den Part des Philosophen. / © Tomasetti (DR)
Professor Andreas Speer hatte den Part des Philosophen. / © Tomasetti ( DR )

Der stellvertretende Direktor von Kolumba, Dr. Marc Steinmann, hatte die Gesprächsführung. / © Tomasetti (DR)
Der stellvertretende Direktor von Kolumba, Dr. Marc Steinmann, hatte die Gesprächsführung. / © Tomasetti ( DR )

Kolumba-Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus / © Tomasetti (DR)
Kolumba-Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR