Renommierte US-Megakirche am End

Leitender Pastor tritt zurück

Die renommierte Mars-Hill-Kirche in Seattle - eine Megakirche mit bis zu 15.000 Besuchern - ist am Ende. Doch das Konzept dieser Gemeinden geht nach wie vor auf.

Autor/in:
Konrad Ege
Gottesdienst in einer US-Megachurch (KNA)
Gottesdienst in einer US-Megachurch / ( KNA )

Die Mars-Hill-Kirche in Seattle im Nordwesten der Vereinigten Staaten: Bis vor wenigen Monaten war das eine renommierte Adresse in der Welt US-amerikanischer Megakirchen, eine dynamische evangelikale Gemeinde mit einem scharfzüngigen Prediger. Diesen Herbst ist das Projekt implodiert. Bis Jahresende werden die Immobilien der Kirche verkauft, und das Projekt wird abgewickelt.

Nach dem 31. Dezember werde "Mars Hill nicht mehr existieren", teilte die Kirche im Informationsdienst "Christian Post" mit. Der Religionssoziologe Scott Thumma sieht das Ende der ehemals bis zu 15.000 Gottesdienstbesucher zählenden Gemeinde auch als Warnung.

Mehr als 1.600 Megakirchen

Ganz besonders Megakirchen mit charismatischen Figuren an der Spitze müssten Strukturen schaffen, um ihre Führung zur Rechenschaft zu ziehen, sagte er dem epd. In der Mars-Hill-Kirche habe das wohl nicht funktioniert. Laut Thumma, Professor für Religionssoziologie am "Hartford Institute for Religion Research" in Connecticut, gibt es in den USA gegenwärtig 1.600 protestantische Megakirchen mit mehr als 2.000 Mitgliedern.

Schlüssel zum Aufstieg und Fall von Mars Hill war der 44-jährige Hauptpastor und Prediger Mark Driscoll. 1996 hatte er die Kirche gegründet. Es folgte ein Aufstieg wie im Bilderbuch, von den ersten Gottesdiensten in Driscolls Wohnung bis hin zu der Megakirche mit fünfzehn Filialgemeinden. In der Anfangszeit hatte Driscoll noch für den Gotteslohn gepredigt, am Ende bezog er ein Jahresgehalt von einer halben Million Dollar. Seine Bücher kletterten auf Bestsellerlisten.

"Wilde Fahrt"

Mars Hill sei auf einer "wilden Fahrt unterwegs mit Jesus am Steuer", versicherte Driscoll vor ein paar Jahren in einem Mars-Hill-Video. Gott habe ihm direkt und "hörbar" befohlen, "Kirchen zu gründen, Männer auszubilden, und die Bibel zu predigen".

Und das ausgerechnet in Seattle, bekannt wegen seiner Hightech-Industrie, einer lebhaften Kulturszene mit Indie- und Punkmusik, Kaffeehäusern und viel alternativem Lebensstil, politisch eher links. Vom Aussehen her passte Driscoll in diese coole Welt. Er predigte umgangssprachlich, gekleidet in Jeans und offenes Hemd; für Formalitäten war kein Platz. Besonders junge Menschen fühlten sich angezogen. Doch Driscolls Botschaft war keineswegs locker: Jesus Christus sei der einzige Weg und die Bibel allein das Wort Gottes - wer das verwässere, sei ein Häretiker.

Heftige Kontroversen

Für Driscoll gibt es offenbar kaum Zweifel. Frauen dürfen nicht predigen, müssen sich dem Mann in der Ehe unterordnen. Homosexualität ist Sünde. Kirchen hätten Jesus "entmännlicht", erklärte der Geistliche. Das löste viel Kritik aus, doch Driscoll schien in Konflikten zu schwelgen, kommentierte die "Seattle Times". Aus den Fugen geriet Mark Driscolls Welt durch Kontroversen über seine Bücher: Seit etwa einem Jahr mehren sich Plagiatsvorwürfe in evangelikalen Blogs und Publikationen.

Driscoll bestritt manche, entschuldigte sich jedoch für "Fehler, die gemacht worden sind". Im April schrieb das evangelikale Magazin "World", Mars Hill habe einer PR-Firma mehr als 200.000 Dollar gezahlt, um ein vom Ehepaar Mark und Grace Driscoll verfasstes Buch auf Bestsellerlisten zu hieven.

Kritik am Führungsstil

Und in der Mars-Hill-Gemeinde kamen schon länger schwelende Konflikte über Driscolls ruppigen Führungsstil an die Öffentlichkeit. Mehrere Pastoren, die Driscoll kritisiert hatten, wurden Medienberichten zufolge aus der Kirche gedrängt. Ein interner Untersuchungsausschuss urteilte,"Pastor Mark" habe sich Mitarbeitern gegenüber "arrogant und herrisch" verhalten.

Blogger stießen auf Online-Kommentare in obszöner Sprache, die Driscoll unter einem anderen Namen verfasst hatte. Darin machte er sich lustig über "verweiblichte" Männer, die Gemeinden mit Pastorinnen besuchten. Mitte Oktober trat Driscoll zurück. Seine "Persönlichkeit und sein Führungsstil" hätten polarisiert, bekannte Driscoll.

Mitgliederzuwachs

Während viele traditionelle Volkskirchen in den USA Mitglieder verlieren, legen die Megakirchen zu. Letztere müssten freilich vorsichtig sein mit "Erfolgszahlen", sagte Thumma. Es sei gefährlich, wenn die "Autorität der Prediger auf ihrem Erfolg basiert". Zahlen seien bei der Verkündigung des Evangeliums ein problematischer Maßstab. Die Mars-Hill-Mitglieder müssen sich nun neue Gemeinden suchen. In seinem Rücktrittsschreiben gibt sich Driscoll zuversichtlich: Die Vorfälle in Mars Hill "disqualifizierten" ihn nicht für zukünftigen Pastorenpostern.


Quelle:
epd