Renovabis hat Václav Havel viel zu verdanken

"Er hat uns Türen geöffnet"

Auch die katholische Kirche trauert um Václav Havel. Ohne ihn und sein Versöhnungswerk wäre die Arbeit des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis gar nicht möglich gewesen. Im domradio.de-Interview würdigt Pater Stefan Dartmann den verstorbenen ehemaligen Präsidenten Tschechiens als großen Humanisten und spricht über den Glauben Havels.

 (DR)

domradio.de: Havel zählte zu den Anführern der "Samtenen Revolution" 1989, in deren Verlauf die kommunistische Führung der damaligen Tschechoslowakei gestürzt wurde -  eine Revolution, die Weltgeschichte geschrieben hat. Was war das Besondere an Havels Führung durch diese Revolution?

Pater Dartmann: Der Name "Samtenen Revolution" sagt ja schon aus, dass es sich in Prag um eine "menschliche Revolution" gehandelt hat. Sie war gewaltfrei, es hat kein Blutvergießen gegeben. Die Menschen sind unter der moralischen Führung von Václav Havel in die Freiheit geführt worden. Ohne seine Person und Persönlichkeit wäre das kaum gegangen.



domradio.de: Wie hat sich das Verhältnis zwischen Staat und Kirche nach dem Ende der Kommunistischen Ära entwickelt?

Dartmann: Das Verhältnis ist noch immer eine Frage, um die man bis heute ringt! Aber man muss doch sagen, nicht zuletzt dank solcher Persönlichkeiten wie Havel haben sich westeuropäische Vorstellungen vom Zusammenwirken von Staat und Kirche durchaus etablieren lassen. Vorstellungen, die auch für die Kirche erhebliche Vorteile gebracht haben. Die Kirche in Tschechien ist natürlich keine sehr starke, sie vertritt nur eine Minderheit der Bevölkerung. In Tschechien ist das Erbe des Kommunismus im Sinne einer gottlosen Gesellschaft sehr präsent und für die Kirche natürlich bis heute eine Herausforderung.



domradio.de: Ist  Havel auch ein Vorbild für die Oppositionsbewegung in der DDR gewesen?

Dartmann: Ganz sicher, Havel fängt ja nicht 1998 an. Er war schon ein Vorbild, eine Persönlichkeit im Untergrund, die sehr geprägt hat und sehr integrierend gewirkt hat. Er hat die Menschen gerade durch seine unkonventionelle Art eines Poeten, Schriftstellers und Theatermenschen an sich gebunden und neue Phantasien erst ermöglicht, wie ein Leben in Freiheit und mit dem Respekt vor den Menschenrechten aussehen könnte. Dieser Havel war international lange bekannt über die Charta 77 und vorher schon die Gruppe der 36. Das waren Bewegungen, die haben eigentlich die ganze Zeit seit 1968 geprägt.



domradio.de: Inwiefern hat Havel den Weg für die Arbeit von Renovabis bereitet?

Dartmann: Man kann sagen: Ohne diese samtene Revolution wäre unserer beginnende Kooperation gar nicht möglich gewesen! Er hat uns Türen geöffnet, er hat den Weg zur Versöhnung bereitet. Ihm lag die Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen am Herzen. Die Begegnung der Völker ist auch ein Kernanliegen von Renovabis. Die Nachbarschaft zwischen Deutschland und Tschechien ist eine besondere Verpflichtung, uns für die Versöhnung einzusetzen. Das hat Havel ermöglicht auch.



domradio.de: Havel ist stets bei seinen Überzeugungen geblieben,  war gegen den Kommunismus von Anfang an. Er hat mit viel Weisheit und Durchsetzungsvermögen agiert - welche Rolle hat dabei die Religion für ihn gespielt?

Dartmann: Havel war immer ein Mensch, der sehr integer war aber auch sehr verschwiegen sein konnte. Er hat seine eigenen religiösen Überzeugungen den Menschen nicht aufgedrängt. Erzbischof Duka hat nun noch einmal darauf hingewiesen, dass Havel getauft war, die Kommunion und die Firmung in der katholischen Kirche empfangen hatte. Und auch bei der letzten Begegnung zwischen Duka und Havel vor einigen Tagen, als der Erzbischof ihn fragte, wie es ihm denn gehe, kam das Thema Religion auf. Havel sagte dazu: "Es geht mir nicht gut. Aber wir wissen ja, dass ER da ist." Auch das war ein Zeichen seiner diskreten Art und Weise, sich über Religion und seine religiösen Überzeugungen zu äußern.



domradio.de: "Der Aufbruch in Mittel und Osteuropa bleibt ebenso unvergessen wie seine große Menschlichkeit. Gerade auch wir Deutsche haben ihm viel zu verdanken", das sagte Bundeskanzlerin Merkel zum Tod Havels. Was hat Havel für das weltpolitische Geschehen für eine Bedeutung gehabt?

Dartmann: Er hat eben nicht nur Tschechien in die Freiheit geführt, sondern er hat im ganzen Kontext dieser großen Umwälzungen in Europa Ost und West zueinander geführt. Er war einer von jenen moralischen Figuren, Persönlichkeiten, die es braucht, damit Europa etwas mehr ist als nur ein Schachern zwischen Verhandlungspositionen in Brüssel. Er hat diesen Europagedanken vertiefen können sowohl im eignen Volk als auch im Ausland. Seine Reden zu diesem Thema haben großen, staatsmännischen europäischen Charakter. Er hat diese Versöhnung sehr stark betrieben, bereits 1990 hat er sich zur Vertreibung der Sudetendeutschen geäußert und einfach und deutlich dass Unrecht benannt hat. Das war ein befreiendes Wort für viele!



Das Gespräch führte Monika Weiß.