Die Kritik an dem Essay des Theologen Rainer Stuhlmann behaupte "eine Einseitigkeit, die wir so nicht gegeben sehen", sagte der Leitende Dezernent für Theologie der rheinischen Kirche, Volker Haarmann, in Düsseldorf dem Evangelischen Pressedienst (epd).
"Dass Rainer Stuhlmann das Existenzrecht Israels infrage stellen soll, ist weder aus diesem Essay noch aus seinen anderen Veröffentlichungen an irgendeiner Stelle herauszulesen", betonte Haarmann. Der Text sei auch in keiner Weise antizionistisch.
"Pointiert und durchaus heraufordernd" formuliert
Keineswegs unterschlagen werde zudem die Feindseligkeit der arabischen Staaten gegenüber Israel: "Es wird ganz klar darauf hingewiesen, dass Israel der einzige Staat ist, dessen Gründung mit einer Kriegserklärung all seiner Nachbarstaaten beantwortet wurde und dem bis heute viele arabische und islamische Staaten sein Existenzrecht absprechen."
Der Text in Gottesdienst-Arbeitshilfe "70 Jahre Staat Israel. Ein Termin im christlichen Kalender?" sei zwar "pointiert und durchaus heraufordernd" formuliert und werde dadurch angreifbar, räumte Haarmann ein. "Er versucht aber, der Spannung zwischen jüdischen und palästinensischen Perspektiven - die es auch innerhalb Israels gibt - nicht auszuweichen, sondern sie auszuhalten und auch darzustellen."
Es werde unmissverständlich klar gemacht, welche große Bedeutung der jüdische Staat zu Recht habe. Auch der rheinische Präses Manfred Rekowski habe dies in seinem Vorwort "in aller Klarheit zum Ausdruck gebracht".
Gemeinsame Reise abgesagt
Der jüdische Landesverband hatte eine für diese Woche geplante gemeinsame Reise mit der rheinischen Kirchenleitung nach Israel aus Anlass des 70. Jahrestages der Staatsgründung am Dienstag abgesagt.
Als Grund wurde der Umstand genannt, dass sich die zweitgrößte deutsche Landeskirche von dem Beitrag des Ruhestandspfarrers Stuhlmanns nicht offiziell distanzieren wollte, der von 2011 bis 2016 Studienleiter im christlichen Dorf Nes Ammim im Norden Israels war.
Er weist in dem vierseitigen Essay auch auf die Situation der Palästinenser hin, denen die israelische Staatsgründung "Vertreibung, Zerstörung, Zwang und Unrecht" gebracht habe. Der jüdische Verband sieht Israel dadurch in seinem Existenzrecht infrage gestellt und "als brutale Besatzungsmacht" verunglimpft.
Keine Absage an das gute Miteinander
Haarmann zeigte sich trotz dieses Konflikts zuversichtlich, dass rheinische Kirche und jüdischer Landesverband ihre "engen und vertrauensvollen Beziehungen fortsetzen werden". Der Verband der jüdischen Gemeinden habe in seiner Absage der Reise bereits deutlich gemacht, "dass er diesen Schritt nicht als Absage an das gute Miteinander mit uns versteht", sagte Haarmann. "Auch aus unserer Sicht besteht diese Gefahr nicht, sondern wir wollen die engen Gespräche und Kontakte weiter pflegen."
Dass die Reise ausfalle, mache ihn aber traurig, "weil sie aus unserer Sicht eine große Chance gewesen wäre, gerade angesichts unterschiedlicher Perspektiven zu diesem sensiblen Thema". Die Gottesdienst-Hilfe bewertet Haarmann als "ein starkes Zeichen, dass wir uns mit den Juden in aller Welt über 70 Jahre Staat Israel freuen".
Die Broschüre mit Liedern und Gebeten solle die knapp 700 rheinischen Kirchengemeinden ermutigen, anlässlich des 70. Jahrestages der Staatsgründung Israels einen christlichen Gottesdienst zu feiern.