Richter präzisieren Verharmlosung und Leugnung des Holocaust

Karlsruhe begrenzt Verurteilung wegen Volksverhetzung

Das Leugnen des Holocaust ist keine bloße Meinungsäußerung, sondern eine Straftat. Das hat das Verfassungsgericht klargestellt. Zugleich setzten die Richter einer Verurteilung wegen "Verharmlosung" des Holocaust Grenzen.

Autor/in:
Norbert Demuth
Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem / © Tsafrir Abayov (dpa)
Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem / © Tsafrir Abayov ( dpa )

Wer den Holocaust billigt, leugnet oder verharmlost, kann wegen Volksverhetzung zu maximal fünf Jahren Gefängnis verurteilt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei am Freitag veröffentlichten Beschlüssen präzisiert, wann eine strafrechtliche Verurteilung in jedem Fall gerechtfertigt ist - und wann möglicherweise nicht.

Dabei stellte das höchste deutsche Gericht klar: Wer den nationalsozialistischen Völkermord leugnet, kann sich nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen. "Die Verbreitung erwiesen unwahrer und bewusst falscher Tatsachenbehauptungen kann nicht zur Meinungsbildung beitragen und ist als solche nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt", hieß es zur Begründung. Die 89-jährige Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, die wegen Volksverhetzung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, scheiterte mit einer Verfassungsbeschwerde.

Die Grenzen

Zugleich setzte das Bundesverfassungsgericht der Verurteilung wegen Verharmlosung des Holocaust Grenzen. Allein der Schutz vor einer "Vergiftung des geistigen Klimas" rechtfertige eine solche Verurteilung nicht, betonten die Karlsruher Richter in einem weiteren Beschluss. "Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat", heißt es in dem Beschluss.

Eine Verurteilung wegen Verharmlosung des Holocaust komme nur bei Äußerungen in Betracht, die den öffentlichen Frieden tatsächlich gefährden könnten. Und damit meint das Gericht die "Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung".

Die Richter gaben einer Verfassungsbeschwerde eines Mannes statt, der sich gegen eine solche Verurteilung richtete. Hier entschieden die Karlsruher Richter, dass der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt worden sei.

Der Fall

Der Mann hatte auf seiner Internetseite und auf seinem Youtube-Account eine Audiodatei veröffentlicht, in der ein Dritter die "Wehrmachtsausstellung" kritisiert, die vor 20 Jahren gezeigt wurde. Die Kritik richtet sich gegen die teilweise unrichtig dargestellten Fotos von Soldaten der Wehrmacht. Den Ausstellungsverantwortlichen werden Fälschung und Manipulationen vorgeworfen. Zudem wird in der Audiodatei Holocaust-Überlebenden vorgeworfen, mit Vorträgen über die Massenvernichtung Geld zu verdienen.

Der Beschwerdeführer war wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 2.100 Euro verurteilt worden, die im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Paderborn auf 3.000 Euro erhöht wurde und zuletzt vom Oberlandesgericht Hamm bestätigt wurde. Das Verfassungsgericht hob nun diese Entscheidungen auf und verwies die Sache an das Landgericht Paderborn zurück.

Fall von Ursula Haverbeck

Von der Meinungsfreiheit seien "auch offensichtlich anstößige, abstoßende und bewusst provozierende Äußerungen gedeckt, die wissenschaftlich haltlos sind und das Wertfundament unserer gesellschaftlichen Ordnung zu diffamieren suchen", so das Verfassungsgericht. Dies besage nicht, dass solche Äußerungen gleichgültig hinzunehmen seien. Die freiheitliche Ordnung setze jedoch darauf, dass solchen Äußerungen "in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten wird".

Dagegen können Holocaust-Leugner nicht den Schutz des Grundgesetzes beanspruchen, wie das Verfassungsgericht anhand des Falles von Ursula Haverbeck erläuterte. Sie war vom Landgericht Verden im August 2017 verurteilt worden. Haverbeck hatte Artikel veröffentlicht, in denen sie behauptete, dass die Massenvergasungen im NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau nicht möglich gewesen seien.

Das Verfassungsgericht betonte, die Leugnung des nationalsozialistischen Völkermordes überschreite "die Grenzen der Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung". Denn die Leugnung könne nur so verstanden werden kann, dass damit "diese Verbrechen durch Bemäntelung legitimiert und gebilligt werden". Das Abstreiten wirke ähnlich wie eine Billigung von Straftaten. Letztlich könne dadurch "die politische Auseinandersetzung ins Feindselige und Unfriedliche" umschlagen.


Quelle:
KNA