Bischof John Stowe führt im Bergarbeiterstaat Kentucky die bodenständige Diözese Lexington, wo die Gläubigen klare Ansagen schätzen. Was die Katholiken hier von der Frühjahrstagung der US-Bischöfe mitbekommen haben, steht für den Bischof außer Frage. "In der öffentlichen Wahrnehmung ging es darum, ob Präsident Biden die Kommunion erhalten soll oder nicht." Nichts anderes höre er von den Gläubigen.
So stand es auch in allen Zeitungen, so berichteten es die elektronischen Medien, und auch auf Twitter wimmelt es von Beiträgen zu genau diesem Thema. Klar ist auch, dass sich rund drei Viertel der Bischöfe Mitte Juni über die Mahnung des Vatikan hinwegsetzten und die Ausarbeitung eines Lehrdokuments zur Eucharistie in Auftrag gaben, das auch ein Kapitel über die Kommunion-Würdigkeit katholischer Politiker enthalten sollte. Und dies, obwohl der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria, die US-Bischöfe Anfang Mai in einem Brief zu Geschlossenheit ermahnte - offenbar in der Absicht, einen Schnellschuss der Hardliner zu verhindern.
Sorge der Bischöfe um das Verständnis der Eucharistie
Bischof Stowe gehörte zu der Minderheit der Bischöfe, die vor einer Politisierung des wichtigsten Sakraments der katholischen Kirche warnten und dagegen stimmten. Umso mehr erstaunen ihn und andere Kritiker nun, in welchem Tempo die Beschlüsse umgedeutet werden.
Nach massiver Kritik stellte die katholische Bischofskonferenz am 21. Juni, vier Tage nach der Frühjahrstagung, ein "Frage & Antwort"-Dokument zu dem beabsichtigen Lehrdokument zur Eucharistie auf ihre offizielle Webseite. Begleitend dazu hieß es ausdrücklich, dass "es keine nationale Politik zur Verweigerung der Kommunion gegenüber Politikern geben wird".
Stattdessen betonen die Bischöfe, das Dokument werde sich an "alle Katholiken" richten. Das Lehrschreiben solle "weder disziplinarisch" sein, noch richte es sich an einzelne Personen oder Gruppen. Es gehe nicht darum, Politikern den Empfang der Heiligen Kommunion zu verbieten. Anlass für die Ausarbeitung sei vielmehr die große Sorge der Bischöfe um das Verständnis der Eucharistie unter den katholischen Gläubigen. Laut aktuellen Umfragen glaubt selbst die Mehrheit der regelmäßigen Messbesucher nicht an die tatsächliche Wandlung der Gaben in Fleisch und Blut Christi.
Dies wäre in der Tat eine berechtigte Sorge, hätten die streitlustigen Verfechter des Vorstoßes beim Frühjahrstreffen nicht lautstark anders argumentiert. Tatsächlich entsprang das Dokument einer Arbeitsgruppe, die der Vorsitzende der US-Bischöfe, Erzbischof Jose Gomez, nach den Präsidentschaftswahlen im November zum "Problem Biden" eingesetzt hatte.
Aus Sicht der Bischöfe bestand dieses darin, dass der erst zweite katholische Präsident im Weißen Haus die Gläubigen mit seiner Haltung zur Abtreibung "verwirre". Biden lehnt persönlich Schwangerschaftsabbrüche ab, möchte aber den straffreien Zugang zu Abtreibungen aufrecht erhalten. Die Hardliner in der Bischofskonferenz wollten ihn und andere katholische Politiker, etwa Kongress-Sprecherin Nancy Pelosi, ebenfalls praktizierende Katholikin, dafür mit dem Ausschluss vom Empfang der Kommunion bestrafen.
In einem Memo vom 22. Mai heißt es ausdrücklich, in dem Lehrdokument solle es auch ein Kapitel geben, das sich mit der Würdigkeit "von Katholiken befasst, die kulturelle, politische und Gemeindeführer sind". Mehrere Redner beim virtuellen Frühjahrstreffen bekräftigten diese Stoßrichtung.
Rolle rückwärts
Der Papst reagierte mit Schweigen auf den Ungehorsam. Biden selbst nahm es gelassen und erklärte, er glaube nicht, dass es zu einem Kommunion-Ausschluss kommen werde.
Was in den Tagen nach dem Frühjahrstreffen genau passiert ist, darüber kann nur spekuliert werden. Offenkundig ist dagegen das Ergebnis: Erzbischof Gomez und der Vorsitzende des Komitees für Lehrfragen, Kevin Rhoades, vollziehen eine Rolle rückwärts. Wahlweise sind Missverständnisse in der Wahrnehmung, die Medien oder beides verantwortlich.
Der Bostoner Kardinal Sean O'Malley räumt ein, dass einige Bischöfe ein Dokument im Auge hatten, das die Eucharistie-Würdigkeit von Politikern regeln sollte. "Das Komitee für Lehrfragen hat das verändert, um den Eindruck zu vermeiden, es ginge um Kategorien von Einzelpersonen und nicht um ein theologisches Dokument zur Eucharistie."
Bei einem so wenig strittigen Unternehmen wären fast alle Bischöfe an Bord. Bischof Stowe wundert sich, warum bei der Frühjahrstagung dann öffentlich so viel Porzellan zerschlagen werden musste. Zumal es bereits ein Lehrdokument zur Eucharistie gibt, das die Bischöfe 2006 beschlossen haben.