Roms berühmtestes Wasserspiel speist unzählige Arme

Sozialhilfe aus dem Trevi-Brunnen

Durch den Brauch, eine Münze in den Trevi-Brunnen zu werfen, kommt jährlich ein Millionenbetrag zusammen - Geld für Projekte der katholischen Caritas. Doch um die Finanzhoheit gibt es absurden Streit.

 (DR)

Es ist Aberglaube, aber für einen guten Zweck: Wer eine Münze über die Schulter in den Trevi-Brunnen wirft, darf, so heißt es, auf Rückkehr in die Ewige Stadt hoffen. Unwissentlich finanzieren die Touristen damit ein Stück Sozialhilfe in Rom. Ihr Nostalgie-Obolus geht an die Caritas - 1,5 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Doch das eigentümliche Bündnis zwischen Italiensehnsucht und Nächstenliebe hängt derzeit in der Schwebe.

Ein eingespieltes Team

Bislang arbeiten Stadt und Kirche aufs Harmonischste zusammen. Dreimal die Woche erscheint morgens ein Trupp des römischen Wasserversorgers Acea und holt das Kleingeld aus dem Brunnen, ein Caritas-Angestellter und ein pensionierter Polizist als Ehrenamtler fahren die Ernte ab. Ein eingespieltes Team.

Für die Münzbergung haben die städtischen Fachkräfte eine eigene Technik entwickelt. Nicola und Claudio, das sind die Jungs mit dem Goldbesen: Mit Teleskopschrubbern, weit ausholend wie venezianische Gondolieri, kehren sie das verstreute Hartgeld zu einem kleinen Wall in der Mitte des Bassins. Ihnen folgt Alexio mit einem umgebauten Poolsauger, schlürft die schimmernde Linie auf. Es ist ein feines Sirren, wenn die Münzen in den Fangbehälter rieseln.

Unterdessen fischt der vierte im Quartett, Emiliano, das Grobe ab: Eine kanadische Fünf-Dollar-Note landet in der Reuse und ein Stück vom Flügel einer Möwe. Von anderen Funden wissen die Kollegen zu berichten: Eine Zahnprothese ging ihnen schon ins Netz, etliche Brillen, Fingerringe und Armbänder, einmal sogar eine frische Nabelschnur, nach ihrer Vermutung Zeugnis eines dunklen Rituals.

Schrammen von fliegenden Münzen

Die Brunnenputzer schuften, dass an den Unterarmen die Adern hervortreten. Die Münzwürfe lassen derweil nicht nach. Schmerzhaft kann es sein, wenn einen ein Groschen am Kopf trifft. Manche schleudern wie die Irren. Selbst im obersten der vier übereinander gestaffelten Becken findet sich Geld - Okeanos und die rossebändigenden Tritonen haben Schrammen im Marmor vom fliegenden Metall.

Nach einer Dreiviertelstunde ist das Bassin blank, der Sauger bis zum Anschlag voll. Mit beiden Händen scheffelt Alexio die Münzen in die Caritas-Säcke, die anschließend unter polizeilicher Aufsicht gewogen und protokolliert werden. 177,4 Kilogramm sind es an diesem Morgen. Im Sommer, nach einem Wochenende mit der Stadt voller Kreuzfahrt-Touristen, können es 400 Kilo werden.

Erlös fließt in Wohlfahrtskasse

Das Reinigen, Sortieren und Zählen koordinieren Ehrenamtliche der Caritas. Euro-Münzen kommen noch am gleichen Tag auf die Bank, ausländische Währungen - am häufigsten US-Dollars, gefolgt von britischen Pfund und japanischen Yen - werden kostensparend über die diplomatischen Vertretungen beim Heiligen Stuhl getauscht. Acea und Caritas teilen sich die Arbeit, der Erlös fließt zu 100 Prozent in die kirchliche Wohlfahrtskasse, für Essensausgabe, Wohnhilfe, medizinische Versorgung und Kleinkredit-Projekte.

Zum 1. April sollte sich das ändern. Roms Stadtregierung hatte angekündigt, die Verwertung der Münzen komplett in der Hand zu behalten und die Erträge, abzüglich Arbeits- und Verwaltungskosten, verschiedenen Sozialeinrichtungen zuzuführen, aber auch der "allgemeinen Instandhaltung des Kulturerbes" - mit anderen Worten: einem normalen Haushaltstopf. Die Empörung war groß, Bürgermeisterin Virginia Raggi ruderte zurück.

Alberto Colaiacomo, Sprecher der Caritas Rom, nimmt Raggi ein bisschen in Schutz. Der Knackpunkt sei buchhalterischer Art: Formal wandern die Münzen durch den Stadtsäckel, und wie ihre Einnahme und Ausgabe rechtlich wasserdicht zu verrechnen ist, beschäftigt seit Jahren Verwaltungsjuristen.

"Eigentum der Hauptstadt"

Eingebrockt hat das Problem der frühere Bürgermeister Gianni Alemanno, ausgerechnet in der guten Absicht, den Schatz im Brunnen den Armen zu sichern. Zuvor konnten Ordnungshüter nicht viel ausrichten, wenn Spitzbuben nächtens ins Becken stiegen, um sich am Baren zu bedienen - bis Alemanno 2011 per Dekret die scheinbar herrenlosen Münzen zum "Eigentum der Hauptstadt Rom" erklärte; so künden es Tafeln am Brunnenrand.

Juristisch erwies sich das als Pferdefuß. Seit 2001 erhielt die Caritas auf Grundlage stets erneuerter Vereinbarungen mit der Stadt die Einnahmen aus dem Trevi-Brunnen - nur einen unverbrüchlichen Rechtsanspruch hat sie nicht. Das aktuelle Abkommen läuft Ende März aus, verschiedene Varianten liegen auf dem Tisch. Welche Lösung auch immer die Experten finden, Raggi hat, so Colaiacomo, "den Willen bekundet, sie der Caritas zu überlassen".

Für diesen Morgen hat das Putzteam seinen Job erledigt. Das Pumpwerk im rückwärtigen Palast läuft pfeifend wieder an, die Wasser rauschen aus den Brunnenschalen. Während die Männer zur Kaffeepause schlendern, fliegt neues Kleingeld, den Spendern zur Hoffnung auf Wiederkehr, den Armen zum Segen.

Von Burkhard Jürgens


Quelle:
KNA