Zum Heiligen Jahr möchte das römische Pilgerwerk seinen Schatz christlicher Stätten noch fruchtbarer machen: Das als Mamertinischer Kerker bekannte Gefängnis, wo die Apostel Petrus und Paulus vor ihrem Martyrium in Haft gewesen sein sollen, wird nach Jahren der Forschung und Restauration wieder zugänglich. Die Kooperation des Pilgerwerks und der römischen Archäologiebehörde erbrachte wissenschaftliche Erkenntnisse, ein modernes Museum und einen neuen Zugang vom Kerker zum Forum Romanum. Aber war Petrus wirklich hier?
Petrus musste weg
Der Vize-Leiter des Pilgerwerks, Liberio Andreatta, zeigt sich von Zweifeln ungerührt: Ins Tullianum, das unterirdische Verlies unter dem Gefängnis, kamen jahrhundertelang die ärgsten Staatsfeinde Roms. Und selbstverständlich, so der Priester Andreatta, ahnte Kaiser Nero damals, welche Macht ihm in den Jüngern Jesu entgegentrat. Petrus war gefährlich, Petrus musste weg von der Erdoberfläche, hinab in die lichtlose Höhle, die keiner lebend verließ.
Allerdings berichten weder die Bibel noch andere zeitgenössische Quellen Konkretes vom Zeugentod des Petrus. Umso eifriger versuchten spätere Generationen, seine letzten Tage zu rekonstruieren - und frommen Besuchern die Gelegenheit zu geben, die Ereignisse pilgernd nachzuvollziehen.
So zeigte man in einer Kirche an den Caracalla-Thermen den Platz, an dem Petrus auf seiner versuchten Flucht aus Rom einen Fußwickel zurückließ, und ein Stück weiter an der Via Appia die Stelle, an der ihm Christus erschien und ihn zur Umkehr mahnte - später bekannt geworden durch den gleichnamigen Film "Quo vadis" -, ferner an der Via Ostiense den Ort, an dem sich Petrus und Paulus vor ihrer Hinrichtung verabschiedeten.
Prominente Insassen verbürgt
Im Tullianum sind etliche prominente Insassen verbürgt: Der gallische Rebell Vercingetorix, Simon bar Giora, der Jerusalem erfolglos gegen Titus verteidigte, der Numidierkönig Jugurtha. Ihre Namen stehen für eine äußerste Bedrohung römischer Macht. Wohl auch deshalb war für Christen klar: Petrus konnte nur hier inhaftiert gewesen sein.
Direkte Belege fehlen. Zwar soll schon im 4. Jahrhundert, also recht früh, Papst Silvester I. den Carcer in eine Gedächtniskirche umgewandelt haben, aber hierbei handelt es sich um eine mittelalterliche Legende. Vermutlich blieb das Tullianum bis zum Ende des Weströmischen Reichs im 7. Jahrhundert Staatsgefängnis. Erstes sicheres Zeugnis eines christlichen Kults ist ein jüngst entdecktes Freskenfragment im Tullianum, das eine segnende Hand zeigt. Es stammt aus dem 7. Jahrhundert.
Die Tradition jedenfalls wusste das Schicksal des Petrus im Carcer anschaulich zu machen: Ins Verlies geworfen, soll er mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen und eine heute noch sichtbare Delle hinterlassen haben. Petrus und Paulus, heißt es, bekehrten im finsteren Tullianum zwei Wärter und 47 Mitgefangene zum Glauben an Christus, das wahre Licht - und wundersam entsprang eine Quelle für die Taufe. Die Quelle gibt es tatsächlich; Archäologen fanden dort allerdings schon Opfergaben aus archaischer Zeit. Und eine ähnliche Begebenheit wird vom heiligen Laurentius ein paar Straßen weiter in San Lorenzo in Fonte erzählt.
Großer Ort des Glaubens
Unter Historikern ist strittig, ob die junge Gemeinde von Christusgläubigen, faktisch eine Art Sekte im Umfeld des Judentums, seinerzeit als Bedrohung der staatlichen Grundfesten wahrgenommen wurde. Merkwürdig wäre auch, wenn Petrus und Paulus aus dem Verlies freigekommen wären, um später an getrennten Orten hingerichtet zu werden - Paulus übrigens mit dem Schwert, was andeutet, dass man ihn bis zuletzt als römischen Bürger behandelte, nicht als rechtlosen Staatsfeind.
Der Leiter der archäologischen Stätten in Roms Zentrum, Francesco Prosperetti, bleibt diplomatisch unverbindlich: Das Tullianum sei "ein großer Ort des Glaubens" mit "uralten christlichen Wurzeln". Auch der Pressesprecher der Behörde, Luca Del Fra, lässt sich kaum zu konkreteren Aussagen drängen: Einen harten Beleg für die Kerkerhaft des Petrus gibt es nicht. Aber auch keinen Beweis des Gegenteils.